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Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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wieder in Panik zu geraten. Sie sprach kein Wort, bis er vor dem Gasthaus hielt. Gracey saß in einem der Schaukelstühle, Doc daneben, und die beiden starrten den alten Jaguar mit unverhohlener Neugier an.
    Sie machte Anstalten auszusteigen, hielt dann aber inne: Sie
musste
diese Frage stellen. „Warum haben Sie das getan?“
    „Was? So schnell fahren?“
    „Mich geküsst.“
    Auf seinem Gesicht war keinerlei Regung zu erkennen. „Aus Neugier, nehme ich an.“
    Sie biss sich auf das Wangenfleisch, um nicht zu explodieren. „Und? Ist die Neugier jetzt gestillt?“ fragte sie mit der eisigsten Stimme, zu der sie imstande war.
    „Vorerst ja.“
    Sie schlug die Autotür hinter sich zu und hoffte, das Fenster würde zerspringen. Aber ein Jaguar XJ6 war über solche Szenen erhaben. Trotz ihrer wütenden Kraft fiel die Tür mit einem satten, eleganten kleinen Geräusch ins Schloss, während sie schon die Verandatreppe hinaufeilte.
    Griffin summte leise vor sich hin, als er die schmale Zufahrt zum Whitten-Haus entlangfuhr. Immerhin war es ein ziemlich erfolgreicher Tag gewesen. Er hatte drei Dinge von größter Bedeutung erfahren.
    Erstens: Es könnte schon 1973 einen Mord gegeben haben. 1973 war er elf Jahre alt gewesen und hatte mit seinem Vater in Kalifornien gelebt. Und wenn er diese eine Frau nicht getötet hatte, hatte er höchstwahrscheinlich auch keine der anderen umgebracht.
    Zweitens: Sophie Davis war so unschuldig, wie er vermutet hatte, oder verstand zumindest herzlich wenig vom Küssen. Er hätte der Versuchung wohl besser nicht nachgegeben, aber sie war unwiderstehlich gewesen, und er hatte ihre vollen Lippen kosten wollen.
    Ihr Mund hatte nach Honig und Ingwer geschmeckt, und nach Sehnsucht, aber auch nach Angst. Und er ahnte noch immer nicht so recht, warum sie sich vor ihm so sehr fürchtete.
    Die dritte Erkenntnis hätte ihn eigentlich am wenigsten berühren sollen, aber aus irgendeinem Grunde versetzte gerade sie ihn in eine untypische Hochstimmung: Die jungfräuliche Miss Sophie begehrte ihn. Und sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte.
    Zu gegebener Zeit, am gegebenen Ort würde er es ihr zeigen. Sie war nicht sein Typ: Unschuld, Rüschen und sanfte Kurven waren nicht sein Ding. Aber in Sophies Fall war er nur zu gern bereit, eine Ausnahme zu machen. Dummerweise war er aber nicht hier, um herumzuvögeln, sondern um herauszufinden, was sich vor zwanzig Jahren hier abgespielt hatte.
    Es war ein Fehler, sich von ihr ablenken zu lassen. Nun hielt er sich schon zwei Tage hier auf und war dem leer stehenden Krankenhaustrakt noch kein bisschen näher gekommen. Und seinen verschütteten Erinnerungen an jene Nacht ebenso wenig.
    Nein, Sophie Davis war wirklich das geringste seiner Probleme: eine lästige kleine Versuchung, der er auf keinen Fall nachgeben würde.
    Nicht jetzt.

10. KAPITEL
    „W ar das dein Verehrer, Schatz?“ fragte Grace heiter. „Wer ist er? Ich habe ihn noch nie gesehen.“
    Sophie stieg die breiten Stufen zur Veranda hinauf und unterdrückte ein Stöhnen. „Das ist nicht mein Verehrer, Mama“, erwiderte sie. „Alles andere als das. Er ist unser Nachbar. Der das Whitten-Haus gemietet hat, weißt du noch?“
    „Ich erinnere mich an nichts“, antwortete Grace arglos. „Aber wenn er nicht dein Lover ist, warum siehst du dann so aus, als hättest du herumgeknutscht?“
    Manchmal ist „Gracey vom anderen Stern“ ganz schön auf Zack, dachte Sophie. Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Auch das würde Grace bemerken – oder zumindest Doc. Er betrachtete sie beide gleichermaßen mit wohlwollendem Interesse: Von seiner Seite durfte sie keine Hilfe erwarten.
    „Ich habe nicht herumgeknutscht“, entgegnete sie ruhig. Genau genommen stimmte das sogar: Zwei Küsse waren noch keine echte Knutscherei. „Du bildest dir Dinge ein.“
    „Es ist mein Gedächtnis, das mich im Stich lässt, nicht meine Beobachtungsgabe“, meinte Grace. Diese blitzartig aufleuchtende Vernunft brachte Sophie jedes Mal kurz aus dem Konzept. „Ist er nett?“
    „Wer?“
    „Versuch nicht, mich reinzulegen, Sophie Marlborough Davis! Ich spreche von dem jungen Mann. Ist er nett?“
    Flucht war eine verlockende Option. Sehnsüchtig schaute Sophie zur Küchentür hinüber. In ein paar Minuten würde Grace sich nicht einmal daran erinnern, dass Sophie eine Weile nicht da gewesen war, und erst recht keinen Gedanken mehr an ihren Begleiter verschwenden. „Ich muss jetzt wirklich rein und den

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