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Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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nutzte die Chance, sich diesen Mann endlich einmal in Ruhe anzusehen.
    Er trug ein altes Hemd und ein Paar Jeans, und seine Brillengläser hatten sich im Sonnenlicht automatisch getönt, so dass seine Augen kaum zu erkennen waren. Nicht, dass seine undurchdringlichen braunen Augen sonst viel verraten hätten: Wenn die Augen die Fenster zur Seele darstellten, dann waren bei seinen die Läden fest geschlossen.
    Nach einem Moment richtete er sich auf und schaute in ihre Richtung. „Noch Fragen? Nicht, dass Sie je welche gehabt hätten: Sie kennen nur Antworten, keine Fragen.“
    „Hören Sie, ich wollte gar nicht mit Ihnen herkommen. Ich wollte Ihnen nur dafür danken, dass Sie meine Mutter nach Hause gebracht haben.“
    „Und mir klar machen, dass ich mich in Zukunft von ihr fern halten soll. Was habe ich denn Ihrer Meinung nach getan? Sie in meine Höhle gelockt? Ich bin nicht hier, um mich von durchgeknallten alten Damen heimsuchen zu lassen – oder von aufreizenden jungen.“
    „Ich bin nicht aufreizend!“
    „Ich meine Ihre Schwester.“
    „Oh.“ Das war ein echter Dämpfer. „Also, ich bin froh, das zu hören“, schob sie rasch nach, sobald sie sich gefangen hatte. „Ich werde in Zukunft besser auf meine Mutter aufpassen, damit sie Sie nicht mehr belästigt.“
    „Was ist mit dem Gör?“ Sie waren schon fast wieder beim Auto. Die Sonne war hinter einer Wolke verschwunden, und sofort wurde es frisch.
    „Ich werde sie nicht in Ihre Nähe lassen, soweit das menschenmöglich ist. Sie ist jung und naiv genug, sich in Sie zu vergucken, und ich möchte nicht …“
    Sie waren beim Auto angelangt, und sie wollte gerade zur Beifahrerseite hinübergehen, als er den Arm ausstreckte und sie zurückhielt.
    Sie drehte sich in die andere Richtung, aber er streckte den zweiten Arm aus, so dass sie zwischen ihm und dem Auto eingekeilt war. Sie waren meilenweit von allem entfernt, auf einer Schotterstraße, die wahrscheinlich als Sackgasse endete, und niemand würde ihre Schreie hören. Sie schluckte und blickte ihm so unerschrocken wie möglich direkt in die Augen.
    Das war nicht sehr effektiv. Durch die dunklen Gläser konnte sie seine Augen gar nicht erkennen, und sein Mund verzog sich zu einem kühlen Grinsen. „Jung und naiv genug, um sich in mich zu vergucken?“ wiederholte er. „Ich nehme an, Sie halten sich selbst nicht für jung und naiv.“
    „Eigentlich nicht.“ Sie hoffte, dass ihm das leichte Zittern ihrer Stimme entgangen war. Es gab nur eine Chance, aus dieser Lage herauszukommen: cool bleiben. Seine langen Beine rieben sich an ihrem Rock, und sie spürte die Wärme seines Körpers in der kühlen Luft. Er war zu nah. Viel zu nah.
    „Warum reagieren Sie dann so hysterisch auf mich? Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man glatt meinen, Sie hätten Schiss.“
    Sie bewegte sich nicht. Wie hätte sie sich auch rühren sollen, mit seinen Armen links und rechts und dem harten Stahl des Autos im Rücken? So viel zu dem Versuch, sich die Angst nicht anmerken zu lassen, dachte sie. Es abzustreiten wäre Zeitverschwendung gewesen. „Sie machen mich nervös, ja“, entgegnete sie schließlich.
    „Mache ich das? Nur ich – oder alle Männer?“
    Sie hätte ihn ja weggeschubst, aber dazu musste sie ihn berühren, und wie hätte das ausgesehen, wenn er nicht zurückwich? Dann hätte sie dumm dagestanden, mit ihren Händen auf seiner Brust. „Ich mag es nun mal nicht, mitten in der Pampa gegen einen Wagen gepresst zu werden“, antwortete sie mit möglichst kalter Stimme.
    „Ja, aber immerhin ist es ein Jaguar XJ6“, gab er spöttisch zu bedenken. „Das sollte die Erniedrigung doch wettmachen. Und Sie haben schon bei unserer ersten Begegnung wie ein kopfloses Huhn auf mich reagiert. Warum haben Sie Angst vor mir? Was habe ich mir denn zuschulden kommen lassen?“
    Seine Frage verwirrte sie. „Absolut nichts. Ich mag einfach keine …“
    „Männer? Oder nur mich nicht?“
    Ihre Angst flaute ein wenig ab und wich gerechtem Zorn. „Darauf können Sie Gift nehmen, dass ich Sie nicht mag“, erwiderte sie. „Und jetzt lassen Sie mich los.“
    „Überzeugen Sie mich“, sagte er leise.
    „Wie bitte?“
    „Überzeugen Sie mich“, wiederholte er. Und zu ihrem Entsetzen beugte er sich vor und küsste sie.
    Es war nur gut, dass sie den Wagen hinter sich und seine Arme links und rechts von sich hatte, denn sonst wäre sie vor schierem Schreck vermutlich einfach umgekippt. Sie versuchte nach unten

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