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Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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leise.
    Sie konnte ihn wohl kaum schlagen, während er fuhr – schon um den Jaguar nicht zu gefährden. „Wohin bringen Sie mich?“
    „Ich bringe Sie nirgendwohin. Sie haben darauf bestanden, mich zu begleiten. Mitgefangen, mitgehangen. Und wenn Sie eine so gute Detektivin sind, wie Sie vorgeben, sollten Sie längst herausgefunden haben, wohin die Reise geht.“
    Sophie schaute aus dem Fenster. „An dieser Straße gibt es nichts außer der alten Mackin-Farm und dem …“ Sie verstummte.
    „Dem Friedhof.“
    Sophie hatte plötzlich einen Kloß im Hals. „Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht“, erklärte sie nach kurzer Pause. „Die Mädchen sind nicht auf dem alten McLaren-Friedhof begraben, sondern unten neben der Dorfkirche.“
    „Nach deren Gräbern suche ich nicht.“ Er war an den Straßenrand gefahren und stellte den Motor aus. Der verlassene McLaren-Friedhof lag zu ihrer Rechten; vom verfallenen Zaun blätterte die weiße Farbe; das Gras wucherte hoch um die alten, schräg stehenden Grabsteine.
    „Warum sind wir dann hier? Seit dreißig Jahren finden hier keine Beerdigungen mehr statt; nicht einmal der Rasen wird anständig gemäht. Die meisten Leute wissen kaum noch, dass es hier überhaupt einen Friedhof gibt. Es kommt bestimmt niemand mehr her.“
    „Sie
wussten, dass es ihn gibt.“ Er stieg aus dem Wagen. Sophie blieb einen Moment lang einfach sitzen. Sie traute ihm noch immer nicht. Sie könnte die Tür verriegeln, auf den Fahrersitz hinüberrutschen und wegfahren. Das hätte zwei Vorteile gehabt: Erstens wäre sie nicht mehr mit dem Mann konfrontiert, der sie irgendwie nervös machte. Sie konnte sich zwar nicht vorstellen, dass er ihr wirklich wehtun würde, aber in irgendeiner hinteren Gehirnwindung war doch ein kleiner Alarm ausgelöst worden. Zweitens bot sich ihr jetzt vermutlich die einzige Chance, dieses fantastische Auto zu lenken. Er hatte die Schlüssel stecken lassen, und sie bräuchte nur eine Sekunde …
    Er langte zur Zündung und zog den Schlüssel ab. „Denken Sie nicht mal daran“, flüsterte er mit tonloser Stimme. „Sie werden diesen Wagen nicht fahren. Kommen Sie?“
    Sie hatte kaum eine andere Wahl. Sie stellte den Keksteller auf der Rückbank ab, stieg aus und folgte ihm durch das verfallene Tor auf den Friedhof.
    Er schien nach etwas Bestimmtem zu suchen, aber sie hatte nicht die leiseste Ahnung, was das sein konnte. Er spazierte scheinbar gemütlich durch die Reihen und las jede Grabaufschrift. Plötzlich blieb er stehen.
    „Ich wette, dass wir doch nicht die Einzigen sind, die herkommen“, sagte er. „Also, was meinen Sie: Wer hat diese Blumen hier hinterlassen?“
    Sie guckte hinunter. Vor dem Grabstein welkte eine Hand voll leuchtend gelber Blumen in der Sonne. Es war das Grab von Adeline Percey, die 1973 im Alter von neunzehn Jahren gestorben war. Sophie versuchte sich zu erinnern, wer die Perceys waren, und es fiel ihr tatsächlich wieder ein: Ihre Tochter war während ihres ersten Collegejahres bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen.
    „Höchstwahrscheinlich ihre Eltern. Die Perceys leben noch hier, knapp außerhalb von Colby.“
    „Vielleicht“, antwortete er. „Was für Blumen sind das?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Was soll das heißen: Sie wissen es nicht? Sie sind doch so eine Art Zwerg Allwissend, was Haus und Garten angeht, oder? Die Sorte muss hier doch überall aufzutreiben sein.“
    „Mr. Smith …“ Wütend brach sie ab. „Ich weigere mich, Sie weiter mit diesem albernen falschen Namen anzusprechen.“
    „Nennen Sie mich, wie Sie wollen.“
    „Solche Worte nehme ich nicht in den Mund. Ich kann nicht sagen, was das für Blumen sind, weil sie sich hier keineswegs überall auftreiben lassen. Ich habe sie schon mal gesehen, aber ich erinnere mich nicht mehr, wo das war. Und was soll das überhaupt?“
    „Ach, nichts.“
    „Warum sind wir dann hier und reden über Blumen, und was hat das mit den drei ermordeten Mädchen zu tun?“
    Einen Moment schwieg er und blickte noch einmal auf das heruntergekommene Grab mit dem welkenden Blumenstrauß. „Ich glaube, es waren vier“, erwiderte er. „Vielleicht noch mehr.“
    „Denken Sie nicht, das hätte schon längst jemand herausgefunden?“ fragte sie bissig.
    „Nicht, wenn die Behörden einen perfekten Sündenbock präsentieren konnten.“ Er kniete sich hin und betrachtete den Grabstein, als halte dieser womöglich die Antworten auf tausend ungestellte Fragen bereit.
    Und Sophie

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