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Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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Natürlich hätte sie ebenso ungern in vollem Licht gestanden, obwohl ihr Nachthemd aus mehr Stoff bestand und weniger durchscheinend war als manche ihrer Kleider. Sie war einfach dumm. „Warum drücken Sie sich hier im Dunkeln herum?“ fuhr sie ihn an.
    „Das ist mein Haus, und ich kann mich hier herumdrücken, wann und wie ich will. Der Strom ist ausgefallen. Ich habe gerade beim E-Werk angerufen.“
    „Sie haben mir erzählt, dass Ihr Telefon nicht funktioniert.“
    „Gestern war es noch tot. Heute haben sie es freigeschaltet. Warum rufen Sie nicht zu Hause an, um herauszufinden, ob Ihre Mutter wieder da ist?“
    „Sie wird nicht drangehen.“
    „Aber Ihre Schwester. Dann wissen Sie wenigstens genau, ob Sie Grund zur Panik haben.“
    „Na gut“, grummelte sie. Er klang so verdammt cool und vernünftig, und sie wollte so schnell wie möglich weit, weit von ihm weg, aber wenn Grace wirklich verschwunden war, würde sie alle Hilfe brauchen, die sie bekommen konnte. „Wo ist das Telefon?“
    „Drüben beim Sofa. Sie müssen sich hintasten; ich habe keine Kerzen und auch keine Taschenlampe.“
    „Ich aber“, entgegnete sie. Dass ihr das jetzt erst wieder einfiel! Sie knipste sie ein und richtete den Strahl auf Smith.
    Ein großer Fehler: Er trug abgeschnittene Jeans – und sonst nichts. Direkt vor ihr schimmerten schier unendliche Weiten nackter, gebräunter, warmer Männerhaut auf, und sie ließ die Lampe schnell fallen, die sofort verlosch und alles wieder in samtiger Dunkelheit versinken ließ.
    „Na großartig“, meinte er schleppend. „Haben Sie einen Geist gesehen?“
    Da war es wieder. „Ich glaube nicht an Geister“, erwiderte sie.
    „Angesichts der Geschichte dieses Ortes ist das wohl besser so“, murmelte er. „Geben Sie mir die Hand.“
    „Wozu?“
    „Ich sagte
Hand
, sonst nichts“, antwortete er verstimmt. „Ich werde Sie zum Telefon führen, damit Sie sich hier nicht auch noch das Genick brechen.“
    „Ich glaube, ich sollte besser gehen …“
    Er hatte sie bereits am Handgelenk gepackt. Offenbar war er nicht so nachtblind wie sie, und sie hatte es versäumt, rechtzeitig auszuweichen. Seine Hand war groß, stark, warm: das Leben selbst. Er ging im pechschwarzen Raum an ihr vorbei und gab so die Tür frei. Sie könnte sich losreißen und den Überraschungseffekt nutzen, um ihm davonzulaufen.
    „Vergessen Sie’s“, verkündete er und zog an ihrem Arm. „Ich kann nicht zulassen, dass Sie sich da draußen zwischen den Bäumen verirren, ebenso wenig wie neulich bei ihrer Mutter. So viel Anstand zumindest habe ich noch im Leib. Kommen Sie.“
    Sie versuchte nicht, sich zu wehren: Das wäre ihr unwürdig vorgekommen, und ein letzter Rest Würde war jetzt ihr einziger Schutz. Sie folgte ihm durch die Finsternis und stieß nur einmal mit der Hüfte gegen etwas Hölzernes, bevor er ihre Hand auf das Telefon legte. „Da“, sagte er, offenbar leicht ungehalten.
    Seine Ungehaltenheit war zugleich beruhigend und frustrierend. Er wollte diese Begegnung ebenso schnell beenden wie sie – daran hatte er nicht den geringsten Zweifel gelassen. Nur das Verantwortungsgefühl, das sich hinter seinem reservierten Auftreten verbarg, hatte ihn davon abgehalten, sie hinauszuwerfen.
    Es war ein altmodisches Telefon mit Wählscheibe, wahrscheinlich schwarz. Schon Tasten wären in der Dunkelheit nicht leicht zu bedienen gewesen, und erst beim fünften Versuch hörte sie ein Rufzeichen. Sie hoffte nur, dass sie sich nicht verwählt und einen muffeligen Vermonter aus dem Bett geklingelt hatte.
    Sie ließ es läuten. Ihre Augen gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit, und sie konnte erkennen, dass Smith ihr schon wieder den Fluchtweg blockierte. Warum musste er so verflixt groß sein? So verflixt
anwesend
? So verflixt nackt? Es war doch kühl. Er sollte in einem Pyjama schlafen wie jeder vernünftige Mann, nicht in diesen knappen Selfmade-Shorts …
    Endlich hörte sie Martys verschlafene Stimme: „Ja? Was gibts?“
    „Grace ist verschwunden. Ich habe sie überall gesucht. Wärst du so nett, mal in ihrem Zimmer nachzusehen, ob sie vielleicht wieder zurück ist? Ich möchte die Polizei nicht umsonst verständigen.“
    „In Ordnung.“ Sie klang gequält, wie immer, und Sophie umklammerte fest den Hörer, als sie den verhallenden Schritten ihrer Schwester nachlauschte.
    Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis Marty wieder am Telefon war. Inzwischen hatte sich ihre übliche Verstimmtheit zu echter

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