Das Haus der toten Mädchen
Frauen neigten zur Sentimentalität, vor allem gegenüber ihrem ersten Liebhaber, und sie würde sich wahrscheinlich einreden, dass sie ihren allzu lange gehüteten Schatz gegen die Romanze des Jahrhunderts eingetauscht hatte.
Sie wird sich allerdings ganz schön anstrengen müssen, um diese Sache zu einer Liebesgeschichte ummünzen zu können, dachte er, als er sich die Jeans wieder überstreifte. Er betrachtete den Teppich und versuchte sich vorzustellen, wie sie dort unter ihm gelegen hatte. Das erste Licht des Morgens stahl sich durchs Fenster und warf seltsam geformte Schatten. Wie er sein Glück kannte, würden schon bald die King’schen Trauerklöße auf seiner Matte stehen. Wenigstens hatten sie ihn und Sophie nicht auf frischer Tat ertappt.
Er ging in die Küche und setzte eine Kanne Kaffee auf. Eigentlich hatte er sich darauf gefreut, sich mit Sophie noch eine Weile oben auf seinem Bett auszustrecken und den Morgen zu genießen. Eine Jungfrau verdiente wirklich mehr als eine schnelle Nummer und einen ordentlichen Höhepunkt, und er hatte vorgehabt, sich oben noch einmal in Ruhe um sie zu kümmern. Dass sie davonlaufen würde, war allerdings vorhersehbar gewesen, und sich jetzt noch alleine ins Bett zu legen, dazu hatte er keine Lust. Lieber machte er später einen Mittagsschlaf. Vielleicht würde Sophie unter irgendeinem Vorwand zu ihm zurückkehren und ihn wieder anfeinden, und sie konnten den Mittagsschlaf gemeinsam angehen.
Er nahm seinen Kaffee mit auf die Veranda, legte die Beine hoch und ließ den Blick über den See schweifen. Er griff nach seiner Brille. Da draußen, vor dem Anlegesteg des Nachbargrundstücks, schwamm jemand. Es lag auf der Hand, wer das war.
Er stand auf und spazierte zum Ufer hinunter, wo er sie besser erkennen konnte. Sie schwamm gut, pflügte mit eleganten, sparsamen Bewegungen durchs Nass. Die Erinnerung an die tote Lorelei, die dort im Wasser schwer in seinen Armen gelegen hatte, jagte ihm eine Gänsehaut über den Rücken.
Lorelei war Nichtschwimmerin gewesen. Der See hatte sie immer furchtbar nervös gemacht. Dass ihr Körper ausgerechnet dort vom Mörder abgeladen worden war, hatte Griffin immer besonders zu schaffen gemacht. Er hoffte nur, dass sie schon tot gewesen war, als sie im Wasser gelandet war. Schreckliche Vorstellung, dass sie noch mitbekommen haben könnte, wie die kalte, nasse Finsternis sie verschlang …
Abrupt wandte er sich ab und lief zur Veranda zurück. Er wollte nicht an Lorelei und ihren Tod denken. Nicht jetzt. Zwar war er genau deswegen hier: um herauszufinden, ob er irgendetwas mit der Sache zu tun hatte. Aber in den nächsten paar Stunden wollte er lieber an Sophie denken – zum Beispiel an das entzückende Quieken, das sie von sich gab, wenn sie hochgradig erregt war.
Er beobachtete sie, und er weinte in der Dunkelheit. Dieser Hure Satans lief ihr Jungfernblut über die Schenkel. Das Wasser des Still Lake würde diese Sünde nicht von ihr abwaschen. Dazu würde es
seiner
Hand bedürfen.
Er hatte sich nie vor seinen Pflichten gedrückt, und er würde auch diesmal nicht zaudern. Sophie Davis hatte sich der Fleischeslust und damit der Verderbnis hingegeben; für sie bestand keine Hoffnung mehr. Er würde ihren Körper und ihre Seele von der Sünde reinwaschen, so dass sie doch noch in Gottes Reich eingehen konnte.
Er musste nur noch den Zeitpunkt festlegen.
Er schaute zu, wie sie über den Rasen zum Haus schritt, das Nachthemd um den feuchten Körper geschlungen. Im Licht des frühen Morgens konnte er alles gut erkennen, sogar den Ausdruck entspannter Gelassenheit auf ihrem blassen Gesicht. Wenn sie Reue gezeigt hätte, wären ihm womöglich Zweifel gekommen. Aber er sah keine Tränen, kein Bedauern. Sie hatte gesündigt, und sie musste die Konsequenzen tragen.
Sosehr es ihn auch schmerzte: Sie würde sterben – und freudig wiedergeboren werden. Er musste nur noch entscheiden, wann. Und wie sehr er ihr dabei wehtun würde.
13. KAPITEL
D as beharrliche Summen zerriss den Schleier ihres Schlafes. Das alles ist ein Traum gewesen, dachte Sophie benommen. Ein erotischer, unschicklicher, zutiefst befriedigender Traum, nichts wirklich Beunruhigendes. Ihr Körper fühlte sich träge, üppig und sehr entspannt an, und wenn erotische Träume dazu führten, dass sie sich am Morgen derart lebendig vorkam, dann würde sie es sich zur Gewohnheit machen, jede Nacht von Männern zu fantasieren – selbst von so unwürdigen wie ihren schrecklichen
Weitere Kostenlose Bücher