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Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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Smith reden. „Grace hat mir erzählt, dass jemand ihr Zimmer durchstöbert“, begann er. „Dass jemand ihr Kleidung, Bücher, alle möglichen Dinge stiehlt. Ich bin mir sicher, dass sie sich das größtenteils einbildet, aber ich wollte Sie doch darauf aufmerksam machen, damit Sie da besondere Vorsicht walten lassen. Wenn Sie sie fragen, ob Sie sich das eine oder andere bei ihr ausleihen dürfen, kann es sein, dass sie das vergisst. Auch wenn Sie Kleidung zur Reinigung geben, fühlt sie sich womöglich bestohlen. Am besten sorgen Sie dafür, dass sie alles, was Sie in ihrem Zimmer tun, mit eigenen Augen sieht und es begreift. Und wenn Sie dort auf irgendetwas Bedenkliches stoßen, zögern Sie nicht, mich ins Vertrauen zu ziehen. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen, Sophie. Das wissen Sie.“
    „Ja, das weiß ich, Doc“, entgegnete sie. „Danke.“
    Sie hätte ihm von dem Messer erzählen sollen: von dem angelaufenen, rostigen Jagdmesser, das sie in Grace’ Schubladenschränkchen gefunden hatte. Aber sie biss sich auf die Zunge, denn sie wollte vermeiden, dass Grace übereilt als gefährlich eingestuft wurde. Ihre Mutter musste das Messer irgendwo gefunden und mitgenommen haben, seit sie diesen elsterhaften Sammeltrieb entwickelt hatte. Sophie fand die seltsamsten Dinge in Grace’ Zimmer: Steinchen und getrocknete Blumen und Kaugummi und Bruchstücke von Modeschmuck. Das Messer reihte sich da mühelos ein.
    „Versprechen Sie mir, dass Sie mit mir reden, wenn Sie etwas finden, das Ihnen Sorgen bereitet“, sagte er.
    „Ich verspreche es“, erwiderte Sophie. Das Messer bereitete ihr keine Sorgen. Grace war harmlos, und das Messer hatte nichts zu bedeuten.
    Er stand auf, und die Bank schnellte ein wenig in die Höhe. „Was halten Sie von Ihrem Nachbarn? Macht er Ärger? Ich kann zu ihm hinübergehen und ihn mir zur Brust nehmen, wenn Sie wollen. Ihr Leben ist im Augenblick schon mühsam genug, auch ohne sexuelle Komplikationen.“
    Schockiert riss sie die Augen auf. „Doc!“
    Er kicherte. „Ja, ich weiß, Sie halten mich für einen alten Knacker, aber die Natur des Menschen kenne ich – schon von Berufs wegen. Und sexuelles Verlangen ist völlig normal und natürlich. Ich möchte nur nicht, dass Sie in Schwierigkeiten geraten. Er gefällt Ihnen, nicht wahr?“
    „Gefallen?“ empörte sich Sophie. „Ich kann ihn nicht ausstehen! Er ist ein hinterhältiger, gemeiner Typ, der nichts als Lügen verbreitet – zum Beispiel darüber, wer er ist.“
    „Und? Wer ist er?“ hakte Doc neugierig nach.
    „So etwas wie ein Reporter oder Schriftsteller, glaube ich. Es hat irgendetwas mit den alten Morden zu tun. Ich kenne seinen wirklichen Namen noch nicht, aber dass er nicht John Smith heißt, darauf wette ich.“
    „Faszinierend“, murmelte Doc.
    „Also, glauben Sie mir, ich meide ihn, wenn es irgend geht.“
    „Das ist gut“, befand er. „Denn Marty hat behauptet, Sie wären vorhin in der Morgendämmerung aus der Richtung seines Hauses gekommen und hätten ausgesehen, als hätten Sie eine lange Nacht hinter sich.“
    „Das muss Marty geträumt haben“, erklärte Sophie kategorisch. Seltsam, sie log eigentlich nie, aber jetzt kamen ihr solche Behauptungen ziemlich mühelos über die Lippen.
    Doc lächelte auf sie herab, aber sein sorgenvoller Blick zeigte, dass es ihr nicht gelungen war, seine Bedenken zu zerstreuen. „Ich hoffe es“, verkündete er. „Aber rufen Sie mich an, wenn Sie mich brauchen. Tag und Nacht.“
    Was befürchtet er nur, fragte sich Sophie gereizt, als er gegangen war. Dass Grace aufs Dach klettert wie Mr. Rochesters wahnsinnige Ehefrau in
Jane Eyre
? Sie konnte auf Grace aufpassen, sie konnte auf Marty aufpassen, und sie konnte auf sich selbst aufpassen.
    Es muss am Überraschungsmoment gelegen haben, überlegte sie. Wenn sie auch nur den Hauch eines Verdachts gehabt hätte, dass John Smith mit ihr schlafen wollte, dann hätte sie sich von ihn fern gehalten. Allerdings ließ sich nicht leugnen, dass er sie am Nachmittag zuvor geküsst hatte: Diesen Hinweis auf seine Absichten hatte sie geflissentlich ignoriert. Letzte Nacht war ihr gar nichts anderes übrig geblieben, als zu ihm zu gehen, denn sie hatte ja geglaubt, Grace sei verschwunden, und sie hatte ihre Mutter doch nicht allein durch die Nacht irren lassen können.
    So hatte Sophie sich schließlich unter einem Fremden auf dem Fußboden wiedergefunden, und jetzt kreisten ihre Gedanken ständig darum. Sie konnte einfach nicht

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