Das Haus der toten Mädchen
aufhören, an ihn zu denken. Wie hatte sich ihr Leben nur in einer kurzen Nacht so grundlegend ändern können?
Wie dumm zu glauben, sie wäre nun plötzlich eine andere. Die Leute überschätzten den Sex: Er war eine ganz normale Körperfunktion, und der bloße Umstand, dass sie ihn so lange gemieden hatte, hieß nicht, dass das erste Mal für sie nun besonders wichtig sein musste. Und sie war ja nicht frigide. Himmel, nein! Eher im Gegenteil – sonst hätte sie es nicht so genossen. Obwohl ihr sexueller Appetit doch eher unterentwickelt war und sie es mit einem Fremden getrieben hatte, dem sie nicht trauen konnte.
Nun ja, vielleicht war ihr sexueller Appetit doch nicht so unterentwickelt; vielleicht war sie nur zu beschäftigt gewesen, um ihn zu befriedigen. Oder zu wählerisch. Oder vielleicht – vielleicht hatte John Smith seine Sache besonders gut gemacht.
Sie wollte so etwas nicht denken. Es könnte sich als problematisch erweisen, beim ersten Mal an so einen Experten geraten zu sein und sich später mit weniger artistischen Liebhabern begnügen zu müssen. Das sähe ihr mal wieder ähnlich, wenn sie sich mit ihrer Entjungferung für alle anderen, würdigeren Männer, die ihr noch begegnen würden, gleich verdorben hätte.
Auch die Möglichkeit, dass sie den Fluch der Wilsons geerbt hatte, war nicht ganz von der Hand zu weisen. Grace behauptete, eine Wilson könne im Leben nur ein einziges Mal lieben, dann aber für immer. Dann hätte es gar keinen Sinn, einen anderen Partner zu suchen, der besser zu ihr passte: einmal verliebt, für immer verdammt.
Aber das war Humbug. Sophie war Pragmatikerin: Sie musste einfach einen besser geeigneten Kerl mit einer gleich großen sexuellen Begabung finden.
Wenn sie weiterhin ihre Sexualität genießen, irgendwann vielleicht heiraten und Kinder bekommen wollte, dann musste sie sich hier in der Gegend nach geeigneten Kandidaten umschauen. Doc würde am besten wissen, wo es hier akzeptable Junggesellen gab. Sie konnte ihn natürlich schlecht fragen, ob sie auch gut im Bett waren, aber vielleicht würde es ihr gelingen, zumindest ein paar Indizien sammeln, bevor sie sie ausprobierte. Sie war durchaus in der Lage, sexbegabte Männer zu erkennen, das hatte ihr Interesse an John Smith bewiesen. Seine Art, sich zu bewegen oder Dinge anzufassen, seine Art, einen mit diesen dunklen Augen anzugucken, seine geschwungenen Lippen …
„Shit.“ Oh Gott, sie hatte sogar schon seinen Standardfluch übernommen. Sie rügte Marty immer wegen ihrer Schimpfwörter und Flucherei – da durfte sie es sich auf keinen Fall selbst angewöhnen. Und jedes Mal, wenn ihr dieses Wort über die Lippen kam, sah sie ihn vor sich, meinte ihn tief in ihrem Inneren zu spüren, sein Herz gegen ihres pochen zu fühlen, seinen Atem rasseln zu hören, seine Hüften rotieren, seinen heißen, feuchten Körper erbeben und dann auf ihr lasten …
Sie fiel fast um, als sie ruckartig aufstand, um sich von diesen lüsternen Gedanken loszureißen. In was für ein schreckliches Kuddelmuddel hatte sie sich diesmal bloß hineinmanövriert?
14. KAPITEL
G riffin lachte, als Sophie mitten im Telefonat auflegte. Sein Plan war aufgegangen: Sie war jetzt so sauer auf ihn, dass sie sich nicht in Selbstmitleid verkriechen würde. Und solange sie wütend war, würde sie auch nicht auf die absurde Vorstellung verfallen, in ihn verliebt zu sein. Das war weiß Gott das Letzte, was er wollte. Er hatte in der Vergangenheit ein paarmal den Fehler gemacht, solche Illusionen zuzulassen, und es hatte immer zu Enttäuschungen und bösem Blut geführt. Immerhin war seine ehemalige Verlobte zu nüchtern und pragmatisch gewesen, um diesem Irrtum aufzusitzen.
Aber Sophie war nicht nüchtern und hartherzig, sie war so weich und nachgiebig wie ihr üppiger Körper, und sie könnte durchaus sentimental genug sein, um in guten Sex mehr hineinzuinterpretieren, als da war. Und er wollte nicht, dass das geschah.
Die Kings waren bereits schwer bei der Arbeit: Sie rissen die Dielenbretter um den Kamin heraus, die von der Nässe in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Sie hatten den Morgen mit einem gemeinsamen Gebet begonnen, und das Gemurmel über Sünde und Versuchung schien direkt auf ihren Auftraggeber gemünzt zu sein. Griffin ignorierte das. Er hatte viel für Sünden übrig, vor allem für die Sünde, die er letzte Nacht begangen hatte. Die Kings konnten so inbrünstig um seine Seele beten, wie sie wollten – solange sie ihn in Ruhe
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