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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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Fingernägel in ihre Haut graben. Nach einem kurzen, stummen Kampf reißt sie sich los und funkelt ihn an.
    »Seien Sie ja vorsichtig, Herr Theosoph. Sonst könnte das Karma Sie bezahlen lassen.« Sie ringt darum, ihre Stimme ruhig zu halten, obwohl sie ihm am liebsten ins Gesicht kreischen würde. Ihre Beine fühlen sich schwach und wackelig an. Als sie sich abwendet, um ins Haus zu gehen, sieht sie Hester im Fenster an der Treppe. Sie schaut in den Hof hinaus und hat sie gesehen – sie beobachtet die Szene im Hof mit dem Gesicht ganz nah an der Scheibe, sodass sich das Licht hinter ihr nicht darin spiegelt. Sich zu unterhalten ist kein Verbrechen, und eine Zigarette zu rauchen auch nicht. Dennoch überläuft Cat wieder dieses Zittern, sie tut, als hätte sie Hester nicht gesehen, und eilt mit gesenktem Kopf durch die Hintertür nach drinnen. Noch einmal kommt die Brise angeweht, hebt ihr schwarzes Haar an, streicht mit neugierigen Fingern über ihren Kopf, forscht, fragt und lässt sie nicht unbemerkt davonkommen.
    Am nächsten Abend weiß Cat genau, wo George zu finden ist. Er hat eine Wette abzuschließen, obwohl er am nächsten Morgen schon früh nach Westen ablegen muss – eine Ladung Kies nach Bedwyn, wo neue Häuser gebaut werden. Ein paar zarte Regentropfen treffen auf ihr Gesicht, während sie kräftig in die Pedale tritt. Das Fahrrad rumpelt klappernd den Treidelpfad entlang und gerät hin und wieder auf losen Steinchen ins Rutschen. Cat starrt mit zusammengekniffenen Augen in die Dunkelheit. Die schwere Wolkendecke lässt weder Mond noch Sterne scheinen, und sie kann den Weg kaum erkennen. So wird sie der Brücke erst gewahr, als sie schon fast darauf ist – plötzlich ragt der gedrungene dunkle Umriss vor ihr auf, und dahinter leuchten schwach die Straßenlaternen von Thatcham. Cat bremst heftig und kommt rutschend zum Stehen. Sie steigt ab und versteckt das Fahrrad sorgfältig im Gebüsch am Fuß der Brücke, wo es niemand entdecken wird, wenn er nicht gerade direkt darüber stolpert. Dann rennt sie den restlichen Weg zum Ploughman.
    Der Türsteher und der Wirt kennen sie inzwischen, und statt ihr den Weg zu versperren, nicken sie ihr zu und brummeln »Guten Abend«. Ein paar Leute in dem Pub drehen sich nach ihr um und gaffen die junge Frau mit dem kurz geschorenen Haar an, die nie ein Korsett trägt und angeblich ihrem Liebhaber, ihrem Dienstherrn, ihrem Vater die Kehle aufgeschlitzt, eine Kirche in London in Brand gesteckt, einen Laden, eine Bank, den Postzug überfallen und ansonsten so schreckliche Dinge getan haben soll, dass die Pfarrersfrau gar nicht wagt, davon zu sprechen. Cats Bluse ist feucht und klebt an ihrem Rücken. Sie verschnauft kurz und geht dann direkt durch zum Hinterzimmer. In dem beengenden Raum mit dem typischen Gestank und dem tosenden Gebrüll drängeln Menschen von allen Seiten, und sie hat augenblicklich den durchdringenden Geruch von Alkohol und schwitzenden Leibern in der Nase. Dieser Raum ist ihr inzwischen vertraut, beinahe lieb geworden – so weit weg von den dezenten Geräuschen und Gerüchen im Pfarrhaus, vom Seifenduft frischer Wäsche, dem Geruch säuerlicher Milch in der Küche, dem heißen, staubigen Mief der Teppiche im Hausflur, wo die große Standuhr das Verstreichen von Lebenszeit mit ihrem langsam schwingenden Pendel misst.
    Heute Abend wird nicht geboxt – es findet ein anderer Kampf statt. Hinter dem fluchenden, brüllenden Publikum ist schrilles Kreischen und Gackern zu hören, hässlich und erzürnt. Cat beugt sich ein wenig vor, auf Hüfthöhe der Männer, und kann zwischen den dicht gedrängten Körpern hindurch die Hähne sehen. Ihr Gefieder ist gesträubt, die Kämme leuchtend rot, und von den Spornen an ihren Beinen fliegen Blutstropfen in alle Richtungen. Voll kaltem Hass glänzen ihre Augen über den aufgerissenen Schnäbeln. Sie tanzen und trippeln und recken die Hälse, treten und hacken aufeinander ein. Auf der anderen Seite des Rings sieht Cat George, der mit ernster Miene den Kampf verfolgt. Sie schiebt sich zu ihm durch und berührt ihn zur Begrüßung am Arm.
    »Warum kämpfen sie?«, fragt sie neugierig.
    »Warum bellen Hunde? Sie tun es eben. Ein Hahn duldet keinen anderen Hahn in seiner Nähe.« George zuckt mit den Schultern. »Komm her zu mir.« Er schlingt die Arme um ihre Taille und drückt sie fest an sich. »Such du aus.«
    »Was denn?«
    »Du sagst, welcher Gockel gewinnen wird, und ich setze einen Penny auf ihn«, erklärt

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