Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Weltbewegendem zu sein«, erwidert Robin, der immer noch rastlos auf und ab geht – ein paar Schritte in die eine Richtung, dann wieder in die andere.
    »Tja.« Cat zieht noch einmal kräftig an ihrer Zigarette und überlegt. Sie legt den Kopf in den Nacken, bläst den Rauch aus und beobachtet die Wolken, die vom Wind getrieben über den Himmel ziehen. Es ist noch nicht völlig dunkel, und hier und da schimmern hellblaue Lücken zwischen den blauvioletten Schwaden hervor. »Darüber wollte ich mit Ihnen sprechen«, sagt sie.
    Robin bleibt stehen und mustert sie mit steinerner Miene. »Was soll das heißen?«
    »Wie ich das sehe, diene ich Ihnen als Modell. Und ich bin die einzige Person, die Sie als Modell gebrauchen können.«
    »Und?«
    »Und soweit ich weiß, ist es üblich, dass ein Modell – ob es nun für Künstler oder Fotografen arbeitet – dafür eine Vergütung bekommt«, fährt sie fort und begegnet furchtlos seinem Blick.
    »Ich bezahle dich mit meinem Schweigen über deinen sündhaften Lebenswandel«, erwidert er. Sein Lächeln ist verzerrt und kalt.
    »Nun, ich glaube, dass mein Schweigen jetzt ebenso kostbar ist wie Ihres. Vielleicht sogar noch kostbarer. Sehen Sie, ich habe die Möglichkeit, von hier fortzugehen. Einen Heiratsantrag. Sollte ich die wahre Entstehung Ihrer Fotografien enthüllen wollen, könnten Sie mich dafür kaum bestrafen, aber Sie würde es teuer zu stehen kommen.«
    »Einen Heiratsantrag? Und wo ist dein Ring?«, faucht Robin mit finsterer Miene.
    »Bei seiner Mutter, wird gerade hergebracht«, lügt sie rasch.
    »Tss, tss, welch erbärmlich schlecht vorbereiteter Heiratsantrag«, sagt Robin. Er wirbelt auf dem Absatz herum, schiebt die Hände in die Taschen und wirft den Kopf zurück. So bleibt er einige Augenblicke lang stehen, während Cat wartet. Ihr Herz pocht schmerzhaft gegen ihre Rippen, und sie bietet all ihre Willenskraft auf, um nach außen hin ruhig und entschlossen zu wirken.
    Schließlich dreht Robin Durrant sich wieder zu ihr um, so plötzlich, dass sie zusammenfährt. Sein Kopf ruckt nach vorne wie der eines Raubvogels.
    »Also schön. Ich sehe ein, dass du mich in diesem Fall in der Hand hast. Was meinst du, wie hoch ist denn so der übliche Lohn für ein Fotomodell?«, fragt er mit zornig gepresster Stimme.
    »Für ein Modell, das bis in alle Ewigkeit den Mund halten muss? Zwanzig Pfund.«
    »Zwanzig ? Du bist wohl nicht ganz bei Verstand!«, schreit Robin los, um dann rasch die Stimme zu einem wütenden Flüstern zu senken. »Wenn ich es mir leisten könnte, einem dahergelaufenen Dienstmädchen so viel Geld nachzuwerfen, würde ich gewiss nicht hier draußen bei den verdammten Cannings hausen, das kann ich dir sagen!«
    »Schweigen für den Rest meines Lebens – das ist eine sehr lange Zeit. Ich bin der Dreh- und Angelpunkt der Karriere, die Sie sich da aufbauen wollen, ich bin der Schlüssel zu Ihrem unsterblichen Ruhm.«
    »Das ist Erpressung, Cat – wie kannst du so dreist sein, mir zu drohen?«
    »Sie haben mich zuerst erpresst, schon vergessen? Selber schuld, wenn Sie dachten, ich würde mir das einfach so gefallen lassen, ohne mich zu wehren.«
    »Zehn Pfund, und keinen Shilling mehr. Das ist mein Ernst, Cat. Übertreib es nicht«, sagt er und baut sich so dicht vor ihr auf, dass sie abermals den Kopf in den Nacken legen muss, um ihn anzusehen. Beinahe kann sie seinen Herzschlag hören, der vor Empörung dröhnen muss.
    »Im Voraus. Bald. Bevor wir weitere Aufnahmen machen.«
    »Die erste Hälfte bekommst du morgen, wenn ich auf der Bank war. Die andere Hälfte, wenn wir die nächsten Fotografien machen.«
    »Wann wird das sein?«
    »Das kann ich dir nicht sagen. Wenn ich denen meinen Vorschlag unterbreite, werden sie noch ein bisschen zaudern und schwanken und Zeit brauchen, um den richtigen Exper ten zu finden und hierherzuschicken. Zwei Wochen, vielleicht drei.«
    »Einverstanden.« Cat sieht ihm fest in die Augen. »Ich freue mich auch auf die Nachzahlung für bereits geleistete Arbeit.« Dann wendet sie sich ab, doch Robins Hand schießt vor, schnell wie eine Schlange, und packt sie am Arm.
    »Wenn du mit deinem Kerl durchbrennst, ehe ich weitere Aufnahmen gemacht habe – ich warne dich, Cat Morley, ich werde dich finden, und dann wirst du dafür bezahlen«, sagt er mit einer so ruhigen Gewissheit, dass es Cat eiskalt überläuft. Sie hält den Atem an, um ihr Zittern zu unterdrücken, und zuckt nicht mit der Wimper, obwohl sich seine