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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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Geist oder eine Seele haben – Hüter und Beschützer, die sie hegen und ihr Wachstum und ihre Fruchtbarkeit fördern«, fährt Albert fort.
    »Ja, natürlich, ich verstehe«, sagt Hester nun ganz ernst.
    Sie halten einen Moment lang inne, und bis auf das leise Klappern ihres Bestecks und die Geräusche, die sie beim Kauen machen, ist es still.
    »Und du gehst auf eine Runde Bridge zu Mrs. Avery? Um welche Zeit kann ich dich zurückerwarten?«, fragt Albert schließlich.
    »Ach, ich denke doch, dass ich vor dir wieder zu Hause sein werde, mein Lieber. Wir spielen sicher nur bis gegen zehn«, antwortet Hester hastig. Sie weiß, dass Albert ihre Bridgerunden nicht gutheißt und will so rasch wie möglich das Thema wechseln.
    »Und wird Mrs. Dunthorpe ebenfalls anwesend sein?«, fragt Albert ruhig, und dieses angedeutete Stirnrunzeln der Missbilligung, das Hester nicht ertragen kann, kräuselt seine Brauen.
    »Ich … ich weiß nicht, Albert. Aber ich bezweifle es, denn beim letzten Mal war sie auch nicht da.«
    »Sie ist wirklich nicht der passende Umgang.«
    »Ich weiß, mein Lieber, ja, wirklich. Aber selbst wenn sie mit von der Partie sein sollte, kann ich dir versichern, dass wir nur um Streichhölzchen spielen werden, mehr nicht«, versucht Hester ihn zu beruhigen. Mrs. Dunthorpes Begeis terung für das Glücksspiel ist weithin bekannt. Während der vergangenen Weihnachtsfeiertage verlor sie beim Pokerspielen so viel, dass ihr Mann gezwungen war, sein Pferd zu verkaufen.
    »Das ist es nicht allein, was mir Sorgen bereitet …«
    »Ach, sorge dich nicht, Bertie! Immerhin ist Mrs. Averys Charakter über jeden Zweifel erhaben – und ich hoffe doch, dass du auch meiner eigenen moralischen Natur ein wenig vertraust?«
    »Aber natürlich, liebe Hester.« Albert lächelt. »Gerade du hast mir die Reinheit deiner unverdorbenen Seele wahrhaftig bewiesen.«
    Eine verräterische Röte kriecht an Hesters Hals empor.
    Sie hat im Grunde nicht gelogen, beruhigt Hester sich, als sie Albert auf seinem Fahrrad nachwinkt. Er wird die drei Kilometer nach Thatcham fahren und dann den Zug nach Newbury nehmen. Sobald er außer Sicht ist, hüllt sie sich in einen leichten Mantel, befestigt ihren Hut mit den Nadeln, die Cat ihr reicht, und streicht ihr Haar darum zurecht.
    »Ich werde gegen halb elf nach Hause kommen, dann wäre eine Tasse Kakao ganz wunderbar«, erklärt Hester fröhlich und kann es kaum erwarten, endlich loszugehen.
    »Jawohl, Madam«, murmelt Cat. Hester bemerkt die dunk len Ringe unter Cats Augen und auch, dass sie viele Tage nach ihrer Ankunft hier im Haus noch genauso mager ist wie zu Anfang. Sie nimmt sich vor, mit Sophie Bell darüber zu sprechen, als sie sich durch den Garten auf den Weg macht. Zornig violette und schwarze Wolken ballen sich am nördlichen Horizont zusammen und türmen sich hoch in den Himmel auf wie riesige, bedrohliche Bäume. Hester kehrt um und holt ihren Regenschirm.
    Albert missfällt an Mrs. Dunthorpe nicht in erster Linie ihre Vorliebe für das Glücksspiel, obwohl die schon schlimm genug ist. Noch schwerer wiegt die Tatsache, dass sie ein Medium ist und mehr als ein Abend, der als Bridgerunde begann, mit einer von ihr geleiteten Séance endete. Und sooft Hester sich auch sagt, dass sie es ja nicht sicher weiß – sie hat vergangenen Sonntag nach dem Gottesdienst mit ihrer Freundin Claire Higgins gesprochen, und Claire hat sehr deutlich anklingen lassen, dass dieser Abend ein solcher werden könnte. Hester schauert vor angespannter Erwartung.
    Mrs. Averys Haus ist das größte im Ort und sehr gut ausgestattet, wie es sich für das Heim einer reichen Witwe gehört. Ihr Mann hatte viel Geld bei der Eisenbahn investiert und sein Vermögen verzehnfacht, um dann eben dem Ding zum Opfer zu fallen, das ihn reich gemacht hatte: Seine Droschke wurde von einem Zug erfasst, als sie spätnachts die Schienen überquerte. Der Kutscher war eingeschlafen, und sein Passagier soll dem Vernehmen nach sturzbetrunken gewesen sein. Er hinterließ eine sehr wohlhabende und sehr gelangweilte Mrs. Avery. Und so ist die Witwe zum Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens im Ort geworden, ja, im gesamten Bezirk Thatcham – außerhalb der wahrhaft herrschaftlichen Häuser, versteht sich. Sie besucht oft Freundinnen und Verwandte in London und ist stets über die neueste Mode auf dem Laufenden, und Hester fürchtet sich beinahe ein wenig vor ihr. Doch als Frau des Pfarrers stünde es ihr schlecht an, aus Mrs.

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