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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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von ihrem Handgelenk und fliegt hinterher.
    »Verflucht!«, brummt sie und blickt sich um. Die Ufer des Kanals sind steil, und das Wasser sieht tief aus. Ganz in der Nähe ist ein langes, breites Boot vertäut, doch obwohl es leer zu sein scheint, traut sie sich nicht, es einfach so zu betreten. Sie hebt einen herabgefallenen Ahornast auf und streckt ihn nach dem Beutel aus, der zum Glück auf dem Wasser schwimmt. Sie versucht, das Gleichgewicht nicht zu verlieren und den Ast ruhig zu halten, während sie mit einem seiner Zweige die Schnur des Beutels angelt und ihn langsam zu sich heranzieht. Einen Moment lang funktioniert das, doch dann verliert sie das Gleichgewicht und muss den Ast fallen lassen, um sich abzufangen. Der Beutel treibt in einem gemächlichen Kreis herum. Cat rutscht vorsichtig die steile Böschung hinab, beugt sich gefährlich weit vor und streckt die Hand danach aus. Er treibt wenige Zentimeter vor ihren Fingerspitzen, höchstens zwei Fingerbreit, aber sosehr sie sich auch streckt, sie kann ihn nicht erreichen. »Oh, du stinkendes, verfluchtes kleines Dreckstück!«, schreit sie das Ding an und richtet sich wütend wieder auf.
    Ein Lachen erschreckt sie so, dass sie einen Schritt zurückweicht und taumelt.
    »He, Vorsicht, Miss. Sie wollen doch nicht auch noch reinfallen, oder?«, sagt ein Mann. Er ragt halb aus einer Luke im Deck des Kahns, der neben ihr vertäut ist. Cats erster, sponta ner Eindruck ist lebendiges Braun, Wärme. Die wettergegerbte Haut hat die Farbe der geschrubbten Bohlen des Bootes, das Haar ist struppig, die einfache Kleidung ungefärbt.
    »Wer sind Sie?«, fragt sie argwöhnisch.
    »George Hobson. Für Sie viel wichtiger ist allerdings, dass ich hier einen Enterhaken habe, falls Sie einen brauchen sollten.«
    »Was ist ein Enterhaken, und warum sollte ich einen brauchen?«, erwidert Cat scharf, weil sie das Gefühl hat, dass er sich über sie lustig macht.
    »Das hier, und damit hole ich Ihnen den Beutel heraus, wenn Sie mir Ihren Namen nennen«, erklärt der Mann und hebt eine bösartig aussehende metallene Klaue an einem langen Stab vom Deck seines Bootes auf.
    Cat sieht ihn stirnrunzelnd an und überlegt kurz, ehe sie sagt: »Also gut, ich heiße Cat Morley. Bitte holen Sie doch den Beutel aus dem Wasser, ehe der Brief darin völlig durchweicht ist.«
    Der braune Mann kommt ganz aus der Luke heraus, hockt sich an den Rand seines Decks und fischt den tropfenden Beutel aus dem Kanal. Er schüttelt ihn leicht, faltet die Schnur säuberlich auf der Handfläche zusammen und drückt sie aus. Seine Hände erinnern an Schaufeln, breit und eckig, und die Fingerknöchel sind grün und schwarz von Blutergüssen und mit Narben überzogen. Er springt ans Ufer und kommt auf sie zu. Cat strafft die Schultern und richtet sich zu voller Größe auf, obwohl sie ihm nicht einmal bis zu den Schultern reicht. Er ist außerdem doppelt so breit wie sie und wirkt robust wie ein Baumstamm.
    »Ich habe Sie für einen Burschen in einem langen Kittel gehalten, bis Sie den Mund aufgemacht haben«, bemerkt er.
    »Vielen Dank, Sir«, erwidert Cat sarkastisch.
    »Ach, ich wollte Sie doch nicht beleidigen. Nur dass alle Mädchen hier in der Gegend – und ich höre, dass Sie nicht von hier sind – das Haar lang tragen«, erklärt er. Cat schweigt. Sie streckt die Hand nach dem Beutel aus, und als er ihn nicht herausgibt, verschränkt sie die Arme vor der Brust und beäugt ihn ruhig. »Und ich habe auch noch nie ein Mädchen von hier so fluchen hören wie Sie gerade eben, Miss. Nein, wirklich, noch nie«, sagt er lachend.
    »Geben Sie mir bitte den Beutel zurück«, sagt Cat schließlich.
    »Bitte sehr.« George nickt und reicht ihn ihr.
    Cat öffnet ihn hastig und schüttet Wasser, Algen, Münzen und den Brief heraus, den sie hastig an ihrem Rock abtupft. »Oh, verdammt. Man kann ja die Adresse kaum noch lesen. Die Tinte ist ganz verwischt«, murmelt sie vor sich hin. »Vielleicht ist noch etwas zu retten – ich könnte die Buchstaben nachziehen, wenn jemand mir einen Stift leihen würde. Hier – finden Sie, dass es noch lesbar ist? Können Sie den Namen erkennen?«, fragt sie und hält George Hobson den Brief hin. Der große Mann errötet und betrachtet den Brief mit verblüfftem Stirnrunzeln.
    »Ich weiß nicht recht, Miss Morley«, murmelt er und zuckt nichtssagend mit einer Schulter.
    »Können Sie etwa nicht lesen?«, fragt Cat ungläubig. George gibt ihr den Brief zurück und runzelt dabei

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