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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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dumpfer Schmerz. Vor Müdigkeit sind ihre Glieder schwer und ihre Gedanken träge. Schon so früh am Tag ist die Luft warm, und der feine Schweißfilm auf ihrer Oberlippe schmeckt salzig. Als der Türklopfer sie zwingt, sich zu bewegen, dreht sie sich um und sieht sich plötzlich in einem prunkvoll gerahmten Spiegel an der Wand: ein grau-weißes Gespenst mit dunklen Augenringen und passendem tristem Kleid. Immer noch von Holloway gezeichnet. Mit leicht angewiderter Miene öffnet Cat die Tür.
    »Ja, bitte?«, fragt sie den jungen Mann, der vor der Schwelle wartet. Sein Gesicht ist im gleichen Maße frisch wie ihres matt. Er hält eine lederne Tasche in der einen und einen Koffer, über den sein Jackett drapiert ist, in der anderen Hand. In Hemdsärmeln und Weste erinnert er Cat an den Sohn des Gentleman, wenn er auf ein paar Tage von der Universität zu Besuch kam – die gleiche luxuriöse Lässigkeit.
    »Guten Morgen. Mein Name ist Robin Durrant, und ich glaube, man erwartet mich.« Der junge Mann lächelt. Seine Zähne sind sehr weiß und ebenmäßig, und um seine Augen bilden sich freundliche Fältchen.
    »Bitte kommen Sie herein. Ich gebe Mrs. Canning Bescheid, dass Sie da sind«, entgegnet Cat dennoch beinahe missmutig. Sie nimmt dem Mann die Ledertasche ab und hängt sein Jackett an die Garderobe im Flur.
    »Danke. Sehr freundlich von Ihnen.« Robin Durrant lächelt immer noch. Cat wendet sich abrupt von seiner guten Laune ab, geht den Flur entlang und klopft an die Tür des Musikzimmers.
    »Ein Mr. Robin Durrant ist soeben eingetroffen, Madam. Er sagt, er werde erwartet«, verkündet sie. Hester lässt unvermittelt den Füllfederhalter fallen, blickt auf und errötet schuldbewusst. Cat fragt sich beiläufig, was für skandalösen Klatsch der Brief, an dem sie schreibt, wohl enthalten mag.
    »Du meine Güte! Jetzt schon? Ich bin nicht dazu gekommen, mich fertig zu machen, und Albert ist noch nicht zurück …«, stammelt Hester.
    »Er ist schon hier und wartet im Flur«, entgegnet Cat milde.
    »Ja, nun denn – ich komme natürlich sofort«, sagt Hester, doch da erscheint Robin Durrant hinter Cat und räuspert sich.
    »Ich bitte vielmals um Verzeihung – ich kam nicht umhin, Sie draußen zu hören. Bitte machen Sie sich keine Umstände, Mrs. Canning. Ich komme zu früh, was furchtbar unhöflich von mir ist, und werde Sie nicht weiter stören, sondern zu gegebener Zeit wiederkommen. Es ist warm heute, ein herrlicher Tag für einen Spaziergang. Nein, bitte – behalten Sie Platz«, sagt er fröhlich. Hester sieht ihn hilflos an, und er verschwindet wieder im Flur.
    »Sollte ich ihn nicht vielleicht aufhalten, Madam?«, schlägt Cat nach kurzem Zögern vor.
    »Ja, bitte! Er soll keinesfalls glauben, er müsse wieder ge hen«, sagt Hester ein wenig überfordert. Cat holt Robin Durrant an der Haustür ein.
    »Verzeihung, Sir, aber Mrs. Canning besteht darauf, dass Sie bleiben«, sagt sie tonlos. »Sie kann Sie jetzt empfangen.«
    »Ach, tatsächlich?« Robin Durrant lächelt erneut. Sein Lächeln scheint stets in Warteposition zu sein, sein Gesicht jederzeit bereit, es zu formen. »Dann bleibe ich natürlich. Wer könnte einer solchen Einladung widerstehen?« Er wirft Cat einen wissenden Blick zu, der sie augenblicklich misstrauisch macht, und kehrt zum Musikzimmer zurück.
    »War er das an der Tür?«, fragt Mrs. Bell, als Cat in die Küche kommt.
    »Ja. Sie wird jeden Moment klingeln und Tee verlangen, sobald sie sich wieder so weit gefasst hat, dass es ihr einfällt«, antwortet Cat, füllt Wasser in den Kessel und stellt ihn auf.
    »Wie ist er – jung, alt, reich oder arm?«, fragt die dicke Köchin. Eine fettige Lammschulter auf dem Küchentisch erfüllt den Raum mit dem süßlichen Geruch von rohem Fleisch. Schmeißfliegen umschwirren den Braten aufmerksam und warten auf eine Chance, sich darauf niederzulassen. Doch Sophie Bell steht mit einem Geschirrtuch bereit.
    »Arm sicher nicht, und recht jung. Etwa so alt wie die Pfarrersfrau, würde ich vermuten.« Cat schenkt sich ein Glas Wasser ein und stürzt es mit riesigen, geräuschvollen Schlucken herunter.
    »Du meine Güte – wie eine Kuh am Trog«, tadelt Mrs. Bell. Cat wirft ihr einen vernichtenden Blick zu.
    »Jetzt wissen Sie, wie es mir geht, wenn ich Ihnen jeden Tag beim Essen gegenübersitzen muss«, brummt sie.
    »Noch so eine freche Bemerkung, und du kannst zukünf tig draußen auf dem Hof essen – oder überhaupt nicht, wenn’s nach mir

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