Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
Vom Netzwerk:
damit auf einen der hölzernen Stühle sinken.
    »Haben Sie den neuen Liebling von Cold Ash Holt denn noch nicht kennengelernt? Den Theosophen?«, fragt Cat.
    »Nur kurz. Er war ganz begierig darauf, sich fotografieren zu lassen.«
    »Das klingt nach ihm.«
    »Er und der Pfarrer arbeiten wohl zusammen an irgendeiner wissenschaftlichen Abhandlung oder so. Ich konnte nicht viel darüber in Erfahrung bringen. Hat sich sehr trocken angehört, muss ich leider sagen. Aber Pfarrer sind nun mal keine verlässliche Quelle für Skandale.« Er nippt an seinem Tee, blickt dann auf und bemerkt Cats nachdenkliche Miene. »Warum fragen Sie, Miss? Wissen Sie vielleicht mehr darüber?« Cat wirft ihm einen kurzen Blick zu und überlegt.
    »Ich bekäme furchtbare Schwierigkeiten, wenn herauskäme, dass ich über seine Angelegenheiten geredet habe. Vor allem mit der Presse«, sagt sie vorsichtig.
    »Aber ich weiß ja gar nicht, wer Sie sind – und ich ver spreche, mich nicht nach Ihnen zu erkundigen«, sagt der Mann und legt eine Hand aufs Herz.
    »Also gut«, sagt sie schließlich. »Dann werde ich Ihnen ein bisschen mehr über Mr. Robin Durrant erzählen.«
    Am Ende der Woche passt Cat vor dem Haus die Lieferung der Zeitung ab und verschwindet dann mit ihr durch die schmale Tür zur Kellertreppe. Sie setzt sich auf halbem Weg hinab in die Küche auf eine Stufe und blättert die Zeitung durch, bis sie die Fotografien vom Krönungsfest findet und sich selbst darauf entdeckt, wie ein Geist im Schatten am Rand des Zeltes, während Hester und die anderen Frauen im Vordergrund strahlen. In der linken unteren Ecke der Seite ist eine schlechte, körnige Aufnahme des Pfarrers neben Robin Durrant abgedruckt. Der Pfarrer lächelt selbstzufrieden, mit gerecktem Kinn und geschwellter Brust. Cat fragt sich, weshalb er da wohl beinahe platzt vor Stolz. Sie blättert weiter zu den Gesellschaftsseiten – kaum journalistisch verbrämter Klatsch, anonym zusammengestellt »von Ihrem Spitzel«. Cat überfliegt den Text, bis ihr der Name, nach dem sie sucht, ins Auge sticht.
    Mr. Robin Durrant beehrte das Krönungsfest von Cold Ash Holt mit seiner Anwesenheit, zur offenkundigen Freude mehrerer Damen des Ortes. Der aus Reading stammende Mr. Durrant behauptet, Feen, Kobolde und andere Fantasiegestalten sehen zu können, und nach ebendiesen sucht er in unseren Flussauen – unterstützt von Reverend Albert Canning, dem geschätzten Pfarrer von Cold Ash Holt. Die Jagd dauert bereits drei Wochen, hat sich bisher jedoch als fruchtlos erwiesen. Vermittels welcher Methode Mr. Durrant eine Fee einzufangen gedenkt, konnte Ihr Spitzel nicht in Erfahrung bringen, und ebenso wenig, was er mit ihr tun würde, wenn es ihm denn gelingen sollte. Anscheinend ist Mr. Durrants Vater, der hochverehrte Wilberforce Edgar Durrant, ehemals Gouverneur von Indien, von der ungewöhnlichen Mission seines Sohnes nicht eben angetan. Wenn dem jungen Mr. Durrant bei seiner Feenjagd Erfolg vergönnt sein sollte, findet er vielleicht ja auch einen Goldschatz, der seinen Vater froher stimmen könnte?
    »Cat! Wo steckst du? Komm herunter und bring das Frühstück nach oben!«, schallt Mrs. Bells Stimme die Treppe herauf. Cat faltet die Zeitung wieder zusammen und eilt leichtfüßig in die Küche hinab. »Was gibt’s denn da zu grinsen?«, fragt die Haushälterin argwöhnisch. Cat zieht eine Augenbraue in die Höhe, sagt jedoch nichts. Mrs. Bell brummt: »Na, wenn’s was Ungehöriges ist, kannst du nur hoffen, dass ich nicht dahinterkomme.« Cat bringt das Frühstück nach oben, legt die Zeitung ordentlich auf die Anrichte und wartet.
    Vor dem Mittagessen staubt sie sämtliche Bilder im Flur und im Treppenhaus ab. Mit einer fest zusammengewickelten Ecke ihres Staubtuchs kommt sie auch in die kleinen Lücken und geschnitzten Vertiefungen der prächtigen Rahmen. Schwere Ölgemälde dahingeschiedener Cannings, Ahnen des Pfarrers, deren würdevolle Antlitze für immer auf Leinwand gebannt wurden. So kaufen die Reichen sich Unsterblichkeit, denkt Cat, die jedes einzelne Gesicht genau betrachtet und in die toten Augen starrt. Indem sie irgendein neues Land entdecken, ein neues Ding erfinden, ein Buch oder ein Theaterstück schreiben. Und jenen, die dazu nicht klug genug, nicht mutig oder talentiert genug sind, bleibt immer noch ein Porträt, oder heutzutage eine Fotografie. So sorgen sie dafür, dass ihre Namen weiterleben, ihre Gesichter nicht zu Staub vergehen. So, wie ich vergehen, einfach

Weitere Kostenlose Bücher