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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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entsetzt aus. Unwillkürlich hebt sie die Hände zum Kopf, als wollte sie ihn schützen, und weicht ein wenig vom Tisch zurück.
    »Sie sind längst weg, das kann ich Ihnen versichern«, sagt Cat, und der Ansatz eines spöttischen Lächelns huscht über ihre Lippen.
    »Gut, gut. Ja. Nun denn. Mrs. Bell hat dich sicher schon mit deinen Pflichten vertraut gemacht. Sie wird dich anleiten, bitte wende dich in allen Belangen deiner Arbeit an sie. Du wirst morgens um halb sieben aufstehen und um sieben Uhr deinen Dienst antreten, aber wahrscheinlich wirst du nicht als Erste auf sein – mein Mann liebt Spaziergänge in der Natur, die er vornehmlich bei Sonnenaufgang genießen kann. Er wird oft schon das Haus verlassen haben, ehe du herunterkommst, also denke dir nichts dabei, wenn du ihm schon früh am Morgen begegnest. Er erwartet auch nicht, dass das Frühstück vor seinen Spaziergängen bereit steht. Die Zeit zwischen drei und fünf Uhr nachmittags steht dir, abgesehen vom Nachmittagstee, zur freien Verfügung, sofern du alle deine Pflichten zu Mrs. Bells Zufriedenheit erledigt hast.« Hester hält inne und schaut zu Cat Morley auf. Der unverwandte Blick des Mädchens kann einen wirklich aus der Fassung bringen. Da ist irgendetwas hinter diesen dunklen Augen, das Hester noch nie gesehen hat und nicht entschlüsseln kann. Der vage Umriss von etwas überaus Befremdlichem, beinahe Unberechenbarem.
    »Ja, Madam«, sagt Cat schließlich tonlos.
    »Cat – dein richtiger Name lautet Catherine, nicht wahr? Möchtest du nicht vielleicht lieber Kitty genannt werden? Ein neuer Name für einen neuen Anfang? Ich finde, er würde sehr gut zu dir passen.« Hester sieht sie aufmunternd an.
    »Ich war immer Cat, nicht Kitty«, entgegnet Cat verwundert.
    »Ich verstehe. Aber meinst du nicht, dass Kitty schöner wäre? Was ich damit sagen will … Du könntest mit dem alten Namen auch all den alten Kummer ablegen. Verstehst du?«, erklärt Hester. Cat scheint darüber nachzudenken, und ihr Blick wird hart.
    »Ich war immer Cat«, beharrt sie.
    »Also schön!«, lenkt Hester ein, weil sie nicht mehr weiterweiß. »Möchtest du mich sonst noch etwas fragen?«
    »Ich möchte Ihnen nur sagen, Madam, dass ich kein Korsett tragen kann. Nach meiner Krankheit hat der Arzt mir erklärt, dass der Druck auf meine Brust schädlich wäre.«
    »Tatsächlich? Welch ein Jammer. Natürlich musst du auf deine Gesundheit achten, obwohl manche Leute das als unschicklich betrachten könnten. Hielt der Arzt es denn für wahrscheinlich, dass sich dein Zustand bessern wird? Glaubst du, dass du irgendwann wieder ein Korsett wirst tragen können?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortet Cat.
    »Nun, wir werden sehen, was die Zeit bringt. Cat, du sollst wissen …« Hester zögert. Irgendwie kommen ihr die Worte, die sie sich zurechtgelegt hatte, beinahe albern vor, nun, da sie dem Mädchen gegenübersitzt. »Ich möchte dir sagen, dass es dir hier niemand verargen wird. Ich meine deine … schwierige Vergangenheit. In diesem Haus hast du die Chance, ganz neu anzufangen und ein reines, gottgefälliges Leben zu führen. Mein Mann und ich waren schon immer der Ansicht, dass Nächstenliebe die größte Tugend ist und im eigenen Hause beginnt. Ich hoffe, wir können auch dir die Aufrichtigkeit unserer Philosophie vermitteln.« Wieder diese beunruhigende Stille, diese reglose Miene. Hester überläuft ein kleiner Schauer, und ihre Kopfhaut kribbelt unangenehm – wie sonst nur, wenn sie in den Falten ihrer Schlafzimmervorhänge eine schwarze Spinne entdeckt.
    »Danke, Madam«, sagt Cat.
    Hester fühlt sich wesentlich wohler, sobald Cat Morley wieder nach unten gegangen ist, um Mrs. Bell bei der Vorbereitung des Tees zu helfen. Das Mädchen hat eine seltsame Ausstrahlung, als würde es von etwas Unsichtbarem abgelenkt, irgendeinem widernatürlichen Trieb vielleicht. Hester sagt sich, dass das doch sehr unwahrscheinlich sei, aber sie wird das Gefühl dennoch nicht ganz los. Cat hat den Blick nicht gesenkt, wie es sich gehörte. Nun ja, dass es sich gehörte , ist vielleicht zu viel gesagt, aber man hätte es doch von ihr erwartet. Sie wirkte so zierlich und schwächlich, dass man leicht glauben konnte, sie fürchte sich vor jeder Kleinigkeit. Hester greift zu ihrem Stickbeutel und dem Rahmen, den sie erst gestern mit Stoff bespannt hat, bereit, eine neue Arbeit anzufangen. Sie überlegt kurz und lächelt dann. Ein Geschenk für das Mädchen, das darauf besteht, Cat genannt

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