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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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gelockt und dort eingeschlossen wurden. Die Schwester ist sehr schön, und sie hat die gleichen blauen Augen wie der Gentleman. Cat war erschrocken, als diese Augen sie zum ersten Mal musterten und in ihre eigenen schauten. Sie rechnete damit, gescholten oder belehrt zu werden, doch die blauen Augen bewegten sich weiter, nachdem sie nur leicht und achtlos ihr Gesicht gestreift hatten – der Blick, mit dem alle Reichen das Personal musterten. Und obwohl es gar keinen Sinn hatte, regte sie sich innerlich darüber auf. Lange nach Mitternacht ist von unten ein lautes Poltern zu hören. Cat fährt zusammen, und ihr Herzschlag beschleunigt sich. Das könn te eines der Kinder sein, das verbotenerweise aufgestanden war; es könnte Robin Durrant sein, der aus irgendeinem Grund dort unten herumschlich. Der schöne, unbekümmerte, betrügerische Robin Durrant. Was will er? Sie hatte unbedingt ein wenig schlafen wollen. George sollte am nächsten Tag zurück sein, bis zum Mittag. Abends wird sie ihn sehen, und sie möchte nicht ausgezehrt und erschöpft wirken, grau oder fahl. Aber der Schlaf will sich einfach nicht einstellen. Sie wartet und lauscht allzu aufmerksam.
    Der Tod kommt in ihre Kammer geschlichen und füllt sie mit seiner kalten Gesellschaft. Cat gleitet in einen erschöpften Trancezustand hinüber, in dem sie ans Sterbebett ihrer Mutter zurückkehrt: trübselig und düster hinter geschlossenen Vorhängen, mit dem Eisengeruch von Blut in jeder Ecke und dem Gestank des Todes, der schon dahinter lauert. Diesen Gestank konnten auch die Blumen nicht vertreiben oder überdecken, die Cat gekauft und um das Bett herum aufgestellt hatte, und ebenso wenig die Kräuter, die sie im mer wieder aufs Feuer warf. Das Kissen ihrer Mutter war mit roten Flecken verkrustet. Jedes Mal, wenn sie husten musste, drang mehr hellroter Auswurf hervor. Sie wandte schwach den Kopf zur Seite und ließ ihn in den Kissenbezug sickern. Sie hatten inzwischen den Versuch aufgegeben, alles mit Taschentüchern aufzufangen. Sie besaßen nicht genug Taschentücher. Ihre Mutter konnte nicht einmal mehr den Kopf heben, um in eine Schüssel auszuspucken, und Cat konnte sie nicht jedes Mal anheben. So oft, so viele Male am Tag. Schwindsucht, hatte der Arzt Monate zuvor verkündet, ohne Hoffnung, Versprechen oder einen Hauch Trost in der Stimme. Und sie schwand tatsächlich dahin – am Ende glich sie einem Gespenst, eingesunken und aller Kraft, sogar der Sprache beraubt. Ihre Augen stumpften zu einem matten Grau ab, genau wie ihr Haar und ihre Haut. Nur einer von vielen Schatten im Raum. Sie war nur noch so wenig sie selbst, bereits so leblos, dass Cat erst merkte, dass sie gestoben war, als das Rasseln ihrer Lunge plötzlich verstummte. Ihre Mutter wirkte ganz unverändert. Cat blieb eine Weile neben dem Bett sitzen, beobachtete sie und wusste nicht, was sie tun sollte. Dieses feuchte Rasseln der Luft in den Atemwegen ihrer Mutter, so gleichmäßig wie ein eigener Herzschlag, begleitete sie nun schon so lange, dass die Stille unerträglich war. Zitternd stand sie schließlich auf und lauschte, bis die Stille in ihrem Kopf schmerzte. Damals war sie zwölf Jahre alt gewesen.
    Beim ersten Morgengrauen steht Cat auf. Sie schüttelt den Eindruck ab, den Schlaflosigkeit so oft hinterlässt: dass Jahre vergangen seien, ganze Generationen geboren und gestorben, während die Nacht sich dahinschleppte. Ihr Rücken ist steif, die Muskeln hart verspannt, weil sie den ganzen Tag gearbeitet und dann zu lange in einer Position gelegen hat. Als sie sich streckt, knacken die Gelenke. Sie biegt den Rücken durch wie eine Tänzerin und spürt, wie die Sehnen schmerzhaft zum Leben erwachen. Cat wäscht sich das Gesicht, und das plätschernde Wasser im Becken klingt ihr so laut wie Donnerschläge. Sie kämmt sich das Haar, das wie Rabenfedern an ihrem Kopf liegt, zieht sich leise an und schleicht dann auf Zehenspitzen die Hintertreppe hinunter. Im Haus herrscht Ruhe, kein Mensch und kein Balken, kein gefangenes Insekt oder schlafloses Kind regt sich. Cat hebt so vorsichtig wie möglich den Riegel der Hintertür an und hält sich ganz am Rand des Gartens, bis sie durch das Seitentor auf die Straße entkommen kann. Der Himmel leuchtet blässlich in einer undefinierbaren Farbe, irgendwo zwischen Grau und Gelb und Blau. Die Sonne hat den Horizont im Osten noch nicht erreicht. Mit heißem, hungrigem Magen versucht Cat sich zu erinnern, wann sie zuletzt etwas gegessen hat. Sie

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