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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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pflückt eine Handvoll Walderdbeeren am Wegrand und beißt bewusst auf jede einzelne, um den sauer spritzenden Saft zwischen den Zähnen zu genießen.
    Robin Durrant ist vor ihr am Übertritt zu den Wiesen. Cat hält überrascht inne, als sie ihn sieht. Sie hatte fast erwartet, dass er nicht kommen würde, beinahe geglaubt, dass um diese Uhrzeit niemand existierte außer ihr selbst. Aber natürlich ist das eine Illusion, hervorgebracht von ihrer Einsamkeit. Am anderen Ende des Dorfes brüllt eine Kuh. Ihr klagender Ruf hallt von dort, wo das Melken schon begonnen hat, durch die stille Luft. Robin Durrant blickt auf, als er Cats Schritte hört, aber sie kann sein Gesicht im Halbdunkel nur undeutlich erkennen. Cat bleibt in sicherem Abstand stehen und sieht seine Zähne hell aufschimmern.
    »Du kannst ruhig näher kommen, ich werde dich nicht beißen«, sagt er sanft.
    »Ich habe kaum eine Ahnung, was Sie tun werden oder nicht. Und ich bleibe genau hier stehen, bis Sie mir gesagt haben, was Sie von mir wollen«, erwidert Cat.
    »Komm mit. Gehen wir ein Stück von der Straße weg. Ich will nicht, dass dich jemand sieht.«
    »Was soll das heißen? Wohin gehen wir?«
    »In die Auen. Ich habe die perfekte Stelle gefunden.« Er streckt die Hand aus, um ihr über den Tritt zu helfen, doch Cat rührt sich nicht. Sie reckt das Kinn und fixiert ihn mit einem harten Blick. Robin schüttelt den Kopf und lässt die Hand sinken. »Schau, ich schwöre dir, dass ich nicht die Absicht habe, dir auch nur ein Haar zu krümmen. Ich gebe dir mein Wort darauf.« Cat überlegt noch einen Moment lang und gibt dann nach. Sie ignoriert die erneut dargebotene Hand und springt über den Tritt im Zaun.
    »Was zählt schon das Wort eines Scharlatans?«, brummt sie und geht ein Stück neben ihm, sodass sie ihn im Auge behalten kann. Er trägt eine breite Ledertasche über der einen Schulter und seine Frena-Kamera in der anderen Hand, die er beim Gehen lässig schwingt.
    »Ein Scharlatan bin ich, ja? Das ist ein starkes Wort, Cat Morley, und ungerecht obendrein. Wie kommst du auf die Idee, mich so zu bezeichnen?«
    »Ich weiß, was ich sehe. Wer außer einem Scharlatan würde den Pfarrer um den Finger wickeln, seiner Frau den Kopf verdrehen und das Hausmädchen erpressen, alles an einem einzigen Tag? Sie sind wie eine Schlange, die ihre Opfer mit ihrer Schönheit und Anmut betört, ehe sie zubeißt«, sagt Cat ihm auf den Kopf zu.
    »Jetzt bin ich also eine Schlange? Und seit wann sind die denn schön?« Er lacht leise.
    »Ich weiß, was ich sehe«, wiederholt Cat.
    Sie stapfen durch hohe Grasbüschel, bekommen nasse Schuhe im frischen Tau und scheuchen Insekten auf, die schläfrig davonschwirren. Der morgendliche Chor der Vögel wird von Sekunde zu Sekunde lauter und breitet sich über die Wiesen aus. Trotz allem spürt Cat, wie sie ruhiger wird. Es ist unmöglich, nicht ruhig zu sein, wenn die Welt so friedvoll wirkt.
    »Ich liebe diese Tageszeit«, bemerkt Robin Durrant, atmet tief ein und langsam aus. Sogleich wird Cat wieder nervös.
    »Wohin gehen wir?«, fragt sie erneut. Es ist kühler, als sie erwartet hat. Sie bekommt eine Gänsehaut und verschränkt fest die Arme vor der Brust.
    »Es ist nicht mehr weit. An einer engen Flussbiegung steht eine prächtige alte Weide …«
    »Ja, die kenne ich. Und?«
    »Du kennst sie? Woher kennst du sie?«
    »Darf man etwa nicht mit offenen Augen spazieren gehen? Selbst als Dienstbote?«, gibt Cat knapp zurück.
    »Warum lehnst du dich so gegen deinen Status auf? Bei den Cannings hast du es doch leicht. Warum bist du mit deinem Los nicht zufrieden?« Robins Stimme klingt nach aufrichtiger Neugier. Cat wirft ihm einen argwöhnischen Blick zu.
    »Ich habe gehört, Sie seien eine Zeit lang Dichter gewesen. Und Geistlicher, dann Politiker?«, erwidert sie, ohne auf seine Fragen einzugehen. Robin sieht sie stirnrunzelnd an, und Cat lächelt. »Wie Sie selbst sagten, Mr. Durrant: In einem so kleinen Ort spricht sich alles rasch herum.«
    »Und worauf willst du hinaus?«
    »Wären Sie damit zufrieden gewesen, wenn man Ihnen schon als Kind gesagt hätte: Du wirst kein Poet, kein Geistlicher oder Politiker. Du wirst Bankangestellter. Wären Sie damit zufrieden gewesen, dass man Ihnen nie erlaubt hätte, etwas anderes auszuprobieren? Wenn Sie nie hätten herausfinden dürfen, was Sie tun wollen, was Sie sein wollen?«
    »Bankangestellter? Warum …«
    »Nur so zum Beispiel!«, faucht Cat.
    »Aber du gehörst zur

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