Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)
Arbeiterklasse, Cat. Das ist nun einmal unabänderlich.«
»Ach?«, fährt sie hoch. »Und weshalb? Was macht mich automatisch zur Arbeiterin?«
»Nun … deine Herkunft, deine mangelnde Bildung, deine Geburt, Cat. Das wirst du doch gewiss einsehen?«
»Aha, da haben wir es. Meine Herkunft, meine Geburt. Irgendetwas in meinem Blut. Als Dienstbote wird man geboren, wie Mrs. Bell sagt. Stimmen Sie ihr zu?«, fragt sie. Robin sieht sie verwundert an und überlegt kurz, ehe er nickt.
»Ich denke schon, ja.«
Cat lacht freudlos auf. »Tja, da haben Sie Ihre Antwort.«
Nach zehn Minuten erreichen sie die Weide. Vom Dorf hinter ihnen ist nichts mehr zu sehen außer dem Kirchturm, der grau und zerbrechlich zum marmorierten Himmel zeigt. Der Boden fällt sanft zu einer kleinen, runden Senke ab, dem Flussufer entgegen, wo der alte Baum die reglosen Äste herabhängen lässt. Die biegsamen Zweige treiben verloren im Wasser und schneiden Furchen in die glatte Oberfläche.
»Jetzt müssen wir uns beeilen«, sagt Robin, lässt sich im nassen Gras auf ein Knie nieder und öffnet die Ledertasche. »Ich will fertig sein, ehe die Sonne aufgeht. Und es wäre gar nicht gut, wenn der Reverend ungeduldig werden und sich auf die Suche nach mir machen würde.« Über dem Fluss hängt zarter, blasser Nebel bis auf Schulterhöhe in der Luft, während sich der Himmel im Osten aufhellt.
»Was soll denn das werden? Was für ein Spielchen treiben Sie?«
»Kein Spiel, Cat Morley. Ich will dich nur fotografieren«, antwortet er und holt einige in Papier gewickelte Bündel aus der Tasche.
»Mich fotografieren? Mit der Kamera? Aber wozu, um alles in der Welt?«
»Ja, mit der Kamera. Ich habe keine Zeit, ein Porträt von dir zu zeichnen. Außerdem hätte eine Zeichnung nicht denselben Wert als Beweis. Aber die Kamera, die Kamera kann nicht lügen.« Er blickt zu ihr auf und lächelt, dann steht er auf und reicht ihr die Bündel.
»Was ist das?«
»Mach sie auf.«
Cat tut, wie ihr geheißen. Ein Bündel enthält ein Gewand aus zartem weißem Flor, Bahnen über Bahnen wie Wolken aus Vlies. Verwundert befühlt Cat den Stoff und hängt sich das Kleidungsstück über die Schultern, um das zweite Paket zu öffnen. Vor Schreck lässt sie es beinahe fallen. Darin ist Menschenhaar, das ihr üppig entgegenquillt. Lange, seidenglatte, weißblonde Strähnen rollen sich wie Satinbänder in ihren Händen.
»Ist das echtes Haar? Das verstehe ich nicht.«
»Zieh das Kleid an und setz die Perücke auf«, weist Robin Durrant sie an, und Ungeduld schleicht sich in seine Stimme. Er macht die Kamera bereit und schraubt den Deckel vor der Linse auf. »Aber zieh zuerst dein Kleid aus. Ich will nicht, dass es hervorschaut.« Cat überlegt kurz, dann wirft sie den Kopf in den Nacken und lacht. »Still!«, zischt Robin.
»Ein Kostüm ? Sie wollen mich verkleiden, mich fotografieren und der Welt als Elementargeist verkaufen?« Wieder lacht sie ungläubig. Robin errötet zornig.
»Tu es einfach. Zieh die Sachen an!«, herrscht er sie an.
»Sie sind ein Schwindler! Alles erstunken und erlogen! Sie glauben ebenso wenig an Feen wie ich«, spottet Cat.
»Ich bin kein Schwindler!«, schreit Robin Durrant, der aufspringt und sich drohend vor Cat aufbaut. Wut lässt seine Brust schwellen und verfinstert sein Gesicht. Sein Protest hallt in den Nebel hinaus und wird sogleich davon verschluckt. Cat blickt furchtlos zu ihm auf.
»Endlich durchschaue ich Sie«, sagt sie ruhig.
Robin atmet tief durch. »Ich bin kein Schwindler. Elementarwesen gibt es wirklich. Mein Glaube ist aufrichtig – nein, in Wahrheit ist es Wissen , nicht Glaube. Intuition, nicht Doktrin. Sie sind wirklich. Es ist alles echt.«
»Warum müssen Sie dann ein Dienstmädchen verkleiden, um ein solches Wesen zu fotografieren?«
»Ich … ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, warum ich versagt habe. Warum sie sich nicht mit der Kamera einfangen lassen wollen, wie andere Geschöpfe der geistigen Sphären es bereits getan haben.«
»Sie glauben wirklich daran? An Feen?« Robin nickt. Cat mustert ihn eindringlich und schüttelt dann den Kopf. »Erstaunlich.«
»Sie werden mir den Durchbruch bescheren. Diese Enthüllung wird mich berühmt machen, sie muss mich einfach berühmt machen«, verkündet er.
»Mir ist noch nie jemand begegnet, der tatsächlich an seine eigenen Lügen glaubte.«
»Das sind keine Lügen. Und was ist mit dem Pfarrer? Du sagst, sein Gott sei eine Lüge, und doch glaubt er an
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