Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
Vom Netzwerk:
ihn.«
    »Das stimmt«, gibt Cat zu. »Also schön, Sie sind ebenso irregeleitet wie der Pfarrer, falls Sie das glücklich macht.«
    »Ach, Cat.« Robin lächelt. »Ich bin nicht irregeleitet. Die Welt, die blind ihren kleinlichen Angelegenheiten nachgeht, ohne sich der höheren Ordnung der Dinge bewusst zu sein, diese Welt ist es, die irrt. Und diese Aufnahme, die ich von dir machen werde, mag in gewisser Weise eine Fälschung sein, aber die dringendste Forderung der Theosophie ist, dass ihre Anhänger sie einem breiten Publikum nahebringen. Wir müssen uns nach Kräften bemühen, Men schen zu überzeugen und zu erleuchten, die ansonsten ihr Leben lang nichts von den großartigen Wahrheiten ahnen würden, welche unsere Eingeweihten erfahren haben. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen sich an ihre Unwissenheit klammern, als brächte sie ihnen Trost und Sicherheit. Sie werden nicht zur Einsicht gelangen, wenn man sie nicht dazu zwingt. Und ich werde sie zur Einsicht bringen. Ich werde ihnen keine Möglichkeit mehr lassen, vor der Wahrheit zurückzuscheuen«, sagt er in ruhiger Entschlossenheit.
    »Sie haben den Verstand verloren«, sagt Cat unumwunden.
    »Nein«, erwidert er. »Ich habe ihn gefunden. Jetzt zieh die Sachen an. Sonst sage ich ihnen, was du treibst und wohin du gehst, und dann ist es damit aus und vorbei«, befiehlt er barsch. »Mach schon – schnell. Ich könnte dich mit Leichtigkeit ins Verderben stürzen. Und glaub ja nicht, dass ich davor zurückschrecken würde.«
    Cat wird ganz still, ihr Blick hart. »Wie erhebend doch diese Theosophie ist, mit der Sie mich erleuchten wollen.« Ihre Stimme klingt bitter. Sie kehrt dem Theosophen den Rücken zu, legt das Kleid ab, das sie zur Arbeit trägt, und zieht das Gewand aus Flor über ihr Unterkleid. Es ist lang und weit geschnitten, aber so leicht, dass es sich eng an ihren Körper schmiegt, wenn sie sich bewegt. Sie beugt sich vornüber, wie sie es bei den Damen in London gesehen hat, und stülpt die Perücke über ihren Haaransatz. Kopfüber sieht sie eine Seejungfer keine zwei Fingerbreit vor ihrer Nase an der Unterseite eines blassen Lilienblattes sitzen – der Libellenkörper schimmert blau, und die Flügel glitzern in allen Regenbogenfarben, während sie sich zitternd zum Fliegen aufwärmen. So viele verborgene Dinge, so viel verborgene Schönheit, denkt sie. Solch zauberhafte Dinge gibt es wirklich, doch sind sie uns nie genug. Wir müssen immer noch weiter suchen. Die Perücke ist schwer und droht ihr vom Kopf zu rutschen. Nur die Haarnadeln, die Cat zufällig trägt, halten sie schließlich an Ort und Stelle. Sie kämmt die Perücke mit den Fingern zurecht und wendet sich dann Robin Durrant zu. Er starrt sie an.
    »Und?«, fragt sie. Die langen Strähnen umrahmen weich ihr Gesicht. Sie spürt das ungewohnte Gewicht an ihrem Rücken. Es ist noch nicht lange her, dass ihr eigenes Haar lang war – wenngleich nicht ganz so lang wie die Perücke. Wie schnell sie sich daran gewöhnt hat, obwohl sie damals, als man ihr den Kopf geschoren hat, das Gefühl hatte, in aller Öffentlichkeit nackt ausgezogen zu werden.
    »Du siehst sehr hübsch aus, Cat«, sagt Robin leise. »Ja. Du eignest dich hervorragend.«
    »Dann bringen wir diese Farce hinter uns«, entgegnet sie. Robin beobachtet sie noch einen Moment lang und lacht dann glucksend.
    »Das wird nichts, wenn du nur mit verschränkten Armen herumstehst und finster dreinschaust, mein liebes Mädchen.«
    »Ich bin nicht Ihr liebes Mädchen. Und wie soll ich denn stehen?«
    »Gar nicht. Du sollst tanzen. Da drüben – am Ufer, wo der Nebel am dichtesten ist. Und zieh die Schuhe aus.«
    »Tanzen?«
    »Tanzen«, wiederholt Robin bestimmt.
    Cat geht durch das Gras, kalt und nass klebt es an ihren nackten Fußsohlen. Der weiche Stoff des Gewandes streift leicht ihre Beine und lässt sie erzittern. Sie hat noch nie getanzt. Nicht richtig. Manchmal gab der Gentleman musikalische Abendgesellschaften, nicht groß genug, um sie als Ball zu bezeichnen, aber mit einem Quartett, das für zwanzig oder dreißig glamouröse Paare Walzer und Quicksteps spielte. Das Personal schlich sich dann immer zum Fuß der Treppe oder sogar bis an die Tür zum großen Salon, um zuzuhören, und sie fassten einander bei den Händen, äfften die Tanzschritte nach und lachten. Mehr Erfahrung im Tanzen hat sie nicht, und sie weiß, dass sie hier nichts damit anfangen kann. Ein Elementargeist würde nicht mit einem

Weitere Kostenlose Bücher