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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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Wein von der Anrichte zu holen. Hester spürt Amelias fragenden Blick über den Tisch hinweg, als dem Theosophen noch vor ihr, dem weiblichen Gast, eingeschenkt wird.
    »Und wie geht es Ihrer Familie? Sind alle wohlauf?«, erkundigt sich Hester.
    »O ja, es geht ihnen gut. Sehr gut, danke der Nachfrage«, antwortet Robin eigenartig betont.
    »Ihr Bruder ist Arzt, sagten Sie, nicht wahr?«
    »Chirurg, genau genommen – da besteht ein Unterschied, ein sehr bedeutender Unterschied sogar, auf den er Sie zwei fellos augenblicklich hinweisen würde«, entgegnet Robin säu erlich. Obwohl die Fenster den ganzen Nachmittag lang geöffnet waren, ist die Luft im Esszimmer stickig. Robin fährt sich mit einem Finger unter dem Kragen entlang, und ein Schweißfilm glänzt auf seinem Gesicht.
    »Es ist wirklich viel zu warm hier drin, nicht?«, bemerkt Albert. »Wenn das Mädchen kommt, werde ich ihm sagen, dass es die Fenster wieder öffnen soll.« Doch kaum hat Cat getan, wie ihr geheißen, dringen die ersten Motten und andere Insekten herein und stürzen sich auf die Lampen, sodass Amelia leise Entsetzensschreie ausstößt. Cat schließt die Fenster wieder und mustert die Vielfalt des geflügelten Lebens, das durch den Raum schwirrt, mit leichter Belustigung. »Das wäre alles!«, fährt Albert Cat an, und ihre Miene wird hart, als sie sich zum Gehen wendet. Hester sieht in diesem Moment zufällig Robin an und bemerkt, dass sich sein rechtes Auge zu einem kaum merklichen Zwinkern schließt, als er Cat nachschaut. Doch als sie sich nach dem Mädchen umsieht, ist dessen Gesicht ausdruckslos und verschlossen.
    »Ich habe erst kürzlich meine Klasse in der Bluecoat School gefragt, wie Feen ihrer Meinung nach aussehen, und was sie tun. Alle Kinder hatten etwas dazu zu sagen, und sie haben mir einige entzückende Bilder gemalt«, sagt Hester in die angespannte Stille hinein. Robin nickt mit immer noch leicht gerunzelten Brauen.
    »Hübsche kleine Mädchen mit Schmetterlingsflügeln, nehme ich an?«, fragt er ein wenig barsch.
    »Ja, in verschiedenen Variationen«, bestätigt Hester.
    »Ich glaube, dass viele Kinder tatsächlich hellsichtig sind, bis sich der Geist mit dem Einsetzen der Pubertät verschließt, weil irdische Ablenkungen die innere Sicht ver schleiern«, sagt Robin. »Das ist der Grund dafür, dass sie alle so mit Elementarwesen vertraut sind – und weshalb Kindermärchen so oft von Feen handeln. Ich würde Sie sehr gern einmal begleiten und mit den Kindern in Ihrer Klasse über das sprechen, was sie gesehen haben, Mrs. Canning.«
    »Oh, das hätten Sie natürlich gern tun können, Mr. Durrant, aber bedauerlicherweise ist die Schule jetzt für den restlichen Sommer geschlossen. Ich werde erst nach der Ernte wieder dort unterrichten.«
    »Oh. Schade.« Robin zuckt mit den Schultern.
    »Aber weshalb sollten diese Naturgeister in menschlicher Gestalt erscheinen? Warum sollten sie die Gestalt von Mädchen annehmen, und sei es mit Flügeln und anderen nicht menschlichen Attributen? Wenn sie die Wächter der Pflanzen und Bäume sind – die Seelen dieser Pflanzen, wie Hester es vorhin ausgedrückt hat –, dann sollten sie doch gewiss auch wie diese Pflanzen aussehen?«, fragt Amelia in unverhohlen skeptischem Tonfall. Hesters Herz schlägt schneller, und ein kribbelndes Unbehagen lässt sie unruhig auf ihrem Stuhl herumrutschen. Stumm fleht sie ihre Schwester an, Frieden zu wahren. Robin schaut einen Moment lang konzentriert auf seine Suppe herab, ehe er antwortet.
    »Nun, natürlich deshalb, weil die Elementare in der Lage sind, unsere Gedanken zu lesen, ja, in unseren Geist zu blicken. Sie nehmen Gestalten an, die sie dort vorfinden, sodass sie sich uns zeigen und verständlich machen können. Gestalten, die sie schön finden, und wir ebenfalls.«
    »Sie können unsere Gedanken lesen?«, fragt Albert und klingt beinahe erschrocken.
    »Selbstverständlich – vielleicht nicht auf bewusste oder schlüssige Art und Weise, aber sie können gewiss aus unseren Bildern und Gefühlen schöpfen. Emotionen und die Schwingungen der inneren Energie einer Person empfangen sie ganz zweifellos«, erklärt Robin und sieht Amelia dabei so intensiv in die Augen, dass sie den Blick abwenden muss.
    »Aber ihr Verhalten ist doch rein … zweckgerichtet, nicht wahr?«, fragt Albert, als wollte er den Frauen das Verständnis solcher Dinge erleichtern.
    »So ist es. Sie handeln ausschließlich im Rahmen ihres Daseinszwecks, der darin besteht,

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