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Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melisse J. Rose
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das jemand zusammengereimt hätte, könnte er Robbie hier unten nicht finden. Er bräuchte immer noch diese Karte.«
    Jac wollte widersprechen, doch ihr war klar, dass er recht hatte – es waren nicht genug Informationen, um Robbie zu finden. »Aber wo ist er jetzt?«, fragte sie.
    »Er wird schon kommen.«
    »Versprich mir, dass wir ihn suchen, wenn er in einer halben Stunde nicht hier ist. Vielleicht ist ein Stollen eingestürzt. Oder die Polizei war wegen der Kataphilen hier und hat ihn zufällig entdeckt.«
    »Dann hätte Marcher dich angerufen.«
    »Nicht wenn Robbie ihnen nicht verraten hat, wer er ist.«
    Jac blickte zu der Nonne hinüber, die im Lotussitz auf dem nackten Boden saß. Sie hatte die Augen geschlossen. Ihr Gesicht sah aus, als sei sie in einem Zustand tiefer Meditation versunken. Jac beschloss, ihrem Vorbild zu folgen und sich auszuruhen. Sie setzte sich und lehnte sich an die Wand. Griffin ließ sich neben ihr nieder und nahm ihre Hand. Trotz dieses Ortes, dieses Zeitpunkts, trotz all ihrer Ängste elektrisierte seine Berührung Jac wie eh und je. Vom ersten Augenblick an hatte Griffin ihr das Gefühl gegeben, sich näher und näher auf einen Abgrund zuzubewegen. Nach der Trennung hatte sie manchmal selbst gestaunt, wie viel ruhiger sie ohne ihn war. Warum hatte sie ihn dennoch so vermisst? Warum hatte sie sich nach dieser verstörenden Aufregung gesehnt? Da war dieses Gefühl, dass sie zu ihm gehörte, egal, was geschah. Es hatte nur nachgelassen, hatte wie ein Bär einen langen, langen Winterschlaf gehalten.
    »Machst du dir wirklich keine Sorgen?«, fragte sie Griffin nach ein paar Minuten.
    »Doch, natürlich. Alles andere wäre ja verrückt. Aber ich vertraue auf Robbie. Und ich glaube nicht, dass ihm etwas Ernstes zugestoßen ist.«
    Als Robbie nach weiteren fünfzehn Minuten noch immer nicht gekommen war, tauchte Jac ihren Finger in eine kleine schlammige Pfütze und malte einen Halbmond mit einem Stern darin auf den Torbogen.
    »Schreib noch dazu: siebzehn Uhr, achtzehn Uhr zurück«,sagte Griffin. »Dann geht er nicht selbst los, um uns zu suchen, wenn er zwischendurch hier vorbeikommt.«
    »Wo sollen wir suchen?«, fragte die Nonne.
    »Wir sollten versuchen, die Kammer wiederzufinden, wo wir ihn beim ersten Mal getroffen haben. Findest du die auf der Karte?«, fragte Jac Griffin.
    Griffin betrachtete das Blatt eine Weile und faltete es wieder zusammen. »Da lang«, sagte er und ging voran.
    Ihr Weg war verwinkelt und voller Abzweigungen, doch relativ mühelos zu bewältigen, bis sie an eine Kammer kamen, die über einen Meter hoch mit Knochen gefüllt war. Sie waren nicht sorgsam gestapelt, sondern schienen einfach auf einen Haufen geworfen worden zu sein. Um zu dem gegenüberliegenden Durchgang zu gelangen, musste man den Knochenberg überqueren.
    »Ist das die Kammer, von der Robbie erzählt hat?«, fragte Jac.
    »Sieht ganz so aus.«
    »Ich kann das nicht«, sagte Jac. »Ich kann nicht einfach so über die Knochen all dieser Menschen drübertrampeln.«
    »Sie sind nicht hier«, sagte die Nonne gleichmütig. »Das hier sind nur körperliche Hüllen, ihre Seelen sind längst weitergewandert.«
    »Wir können auch umkehren. Möchtest du das, Jac?«, fragte Griffin.
    Jac schloss die Augen und dachte an ihren Bruder. Und schüttelte den Kopf. »Nein. Gehen wir.«
    Griffin reichte ihr seine Hand, und Jac nahm sie. Sie taten die ersten Schritte über die bewegliche Masse hinweg. Das Geräusch, mit dem die Knochen sich aneinanderrieben und sich verschoben, war ihr unerträglich.
    »Du machst so was wahrscheinlich dauernd, oder?«, fragte sie Griffin. »Besuchst Gräber und Gruften und siehst die Totennur noch als historische Artefakte an. Wie kann man sich daran gewöhnen?«
    »Ich habe kein einziges Mal eine Mumie, ein Skelett oder sonst irgendwelche Überreste erforscht, ohne mir vollauf bewusst zu sein, dass ich einen Menschen vor mir habe, der einmal Teil einer Familie war. Der Hoffnungen und Träume hatte. Wenn mir das verloren ginge, wäre ich nur noch eine Art Monster.«
    Sie hatten den Ausgang erreicht. Sechs Stufen führten in die nächste große Höhle hinab.
    Als das Licht ihrer Stirnlampen in das Dunkel der Kammer fiel, schnappte Jac nach Luft. Säulen und Stützpfeiler, ein Altar, Kirchenbänke – alles aus Knochen zusammengefügt. Ein atemberaubendes Werk, eine Totenkapelle, aus den Toten selbst gestaltet. In Nischen, die in einer überirdischen Kirche die Buntglasfenster

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