Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)
Ausbildung … Mein Mentor fand, dass unsere Beziehung meine Entwicklung beeinträchtigt. Das musste ich respektieren. Was zwischen uns beiden war, war mir genauso wichtig, aber ich habe keinen Weg gefunden, das eine mit dem anderen zu verbinden.«
Aus Anis geflüsterten Worten sprach so viel Leid, dass Jac den Blick abwandte, um ihr Gesicht nicht sehen zu müssen.
»Und nun bist du hier«, sagte Robbie. Er klang nicht erstaunt, sondern so, als hätte er nichts anderes erwartet.
Ani richtete sich auf, wie um den Schock der Begegnung abzuschütteln. In einem gefassten, fast unpersönlichen Tonfall sagte sie: »Seine Heiligkeit lässt dir etwas ausrichten.«
Diesmal senkte Robbie leicht den Kopf.
»Es wäre ihm eine Ehre, dein Geschenk anzunehmen.«
»Das ist eine wunderbare Nachricht. Besonders, wenn du sie überbringst.«
Nach vier Tagen in den Katakomben sah Robbie furchtbar aus. Er hatte einen Stoppelbart. Auf seinen Händen, seinem Hals und im Gesicht waren verschorfte Kratzer zu sehen. Und er hatte dunkle Ringe unter den Augen. Dennoch erstrahlte in diesem Moment sein Gesicht vor Seligkeit.
Jac war verblüfft, wie vollkommen verwandelt er wirkte.
»Wann darf ich ihn sehen? Wo soll das Treffen stattfinden?«, fragte Robbie.
Ani schüttelte den Kopf. »Ich habe den Auftrag, das Geschenk von dir entgegenzunehmen und es Seiner Heiligkeit zu überbringen.«
Bevor Robbie antworten konnte, sagte Griffin: »Mir gegenüber haben Sie etwas anderes gesagt.«
Ani wandte sich ihm zu. »Wir hatten zuerst vor, ein persönliches Treffen zu arrangieren. Aber das ist aus Sicherheitsgründen leider nicht mehr möglich. Davon wusste ich noch nichts, als wir beide gesprochen haben, Dr. North.« Sie sah wieder Robbie an. »Ich werde Seiner Heiligkeit die Tonscherben selbst überreichen. Er bekommt sie also ganz bestimmt.«
Robbie schüttelte den Kopf. »Das geht nicht, tut mir leid.«
Die Nonne wirkte überrascht. »Aber du kennst mich doch.«
»Der Tiegel hat einen so weiten Weg hinter sich. Hat so viele Jahrhunderte überstanden. Ich kann ihn niemand anderem mehr geben.«
»Robbie«, sagte Jac. »Gib ihr doch die Scherben. Dann sind sie in Sicherheit, und du kannst dich der Polizei stellen und erklären, was passiert ist. Du hättest ein Problem weniger.«
»Einstein hat einmal gesagt, er sei gar nicht besonders klug, er würde sich nur länger mit seinen Problemen befassen«, sagte Robbie und wandte sich wieder Ani zu. »Es tut mir wirklich leid, dass du so viel Mühe auf dich nehmen musstest, um herzukommen. Aber ich kann dir das Gefäß nicht geben. Damit würde ich dich in Gefahr bringen.«
»Robbie«, sagte Jac entnervt. »Das ist doch Unsinn.«
»Deine Schwester hat recht. Du hast keine Chance, Seine Heiligkeit zu treffen. Man hat mich hergeschickt, um das Geschenk entgegenzunehmen. Bitte gib es mir.«
Robbie schüttelte den Kopf.
»Bitte.« Die Nonne klang fast flehentlich.
»Es geht wirklich nicht.«
Ani fasste Robbies Hände. »Bitte«, sagte sie noch einmal.
»Es tut mir leid.«
Jac hörte, wie die Nonne einen gequälten, fast animalischen Laut von sich gab. Dann stieß sie Robbie mit erstaunlicher Kraft und Präzision zu Boden und drehte sich zu Jac. WährendGriffin Robbie aufzuhelfen versuchte, packte Ani sie um die Hüfte und zerrte sie von den Männern weg.
Jac war von dem plötzlichen Angriff und von der Kraft dieser zierlichen Person so verblüfft, dass sie sich widerstandslos ans andere Ende der Höhle ziehen ließ. Griffin kniete noch immer neben Robbie, der an der Wange blutete.
Anis Manöver war so schnell vor sich gegangen, dass weder Griffin noch Robbie bemerkt hatte, was in der Dunkelheit geschah.
»Ich muss leider darauf bestehen, dass du mir die Scherben übergibst«, rief Ani. »Sonst kann ich nicht dafür garantieren, dass deine Schwester nicht zu Schaden kommt.«
Siebenundvierzig
17:55 UHR
Robbie und Griffin sahen sich um, und ihre Stirnlampen beleuchteten die Szene am anderen Ende der Höhle. Blankes Entsetzen zeichnete sich auf ihren Gesichtern ab, als sie begriffen, dass Jac in Gefahr war.
»Ani? Was tust du denn?«, fragte Robbie. »Lass meine Schwester los.«
»Gib mir die Scherben. Sofort.«
»Und ich dachte, ich würde dich kennen.«
Ani zuckte mit den Achseln, als bedeutete ihr seine Bemerkung nichts. Doch Jac spürte, wie die Frau in ihrem Rücken zitterte.
»Es muss nichts Schlimmes geschehen«, sagte Ani. »Ich habe hier ein Seil und eine Knarre.
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