Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)
Operationen, die den Druck auf das Gehirn vermindern sollten,Drahtklammern in der geborstenen Schädeldecke, künstliches Koma.
Während Griffin noch operiert wurde, hatte Inspektor Marcher sie im Krankenhaus besucht. Er hatte Robbie befragt, seine und Jacs Aussagen aufgenommen und erklärt, dass Robbie nicht mehr unter Mordverdacht stand. Die Polizei sah sein Handeln mittlerweile als Akt der Selbstverteidigung an. Ani Lodro alias Valentine Lee und ihr Komplize William Leclerc saßen in Untersuchungshaft. Man hatte sie ebenso wie François Lee, den angeblichen Journalisten, den man tot in der Werkstatt gefunden hatte, als Mitglieder der chinesischen Mafia identifiziert, die versucht hatten, die Übergabe der Tonscherben an den Dalai Lama zu verhindern.
Jac und Robbie saßen schweigend in dem schwach beleuchteten Raum. Rote und grüne Lämpchen blinkten an den leise summenden und fiependen elektrischen Apparaten. Die Luft war von den frischen, sauberen Gerüchen von Desinfektionsmittel und gestärkten Bettlaken erfüllt.
»Was sollen wir jetzt tun?«,fragte Jac schließlich ihren Bruder.
»Warten.«
»Ich weiß noch, wie Griffin mir von den Artefakten in Tutanchamuns Grab erzählt hat«, sagte Jac. »Wie gewaltig der Sarkophag war. Wie viel Gold man dafür verwendet hatte und wie er funkelte. Griffin hat gesagt, als er schließlich die Mumie selbst zu sehen bekam, hatte er schon vergessen, dass der König ein ganz normaler Mensch war.«
Mit einem leisen Zischen der Hydraulik öffnete sich die Zimmertür. Robbie und Jac drehten sich um. Es war Malachai, in Begleitung einer Krankenschwester, die ihnen erklärte, dass nur zwei Besucher zur selben Zeit erlaubt waren. Robbie bot an, erst einmal einen Kaffee trinken zu gehen.
Malachai setzte sich nicht, sondern blieb neben Jac stehen und sah auf Griffin.
»Wie geht es ihm?«
»Das kann man noch nicht sagen.«
Er wandte sich zu Jac. »Und dir?«
Jac zuckte mit den Schultern.
Malachai holte sich den Stuhl von der anderen Seite des Betts und setzte sich neben sie. »Was ist im Museum passiert?«
Beide sahen auf die reglose Gestalt in dem schmalen Krankenhausbett, während Jac ihm alles erzählte, was in jener einschneidenden halben Stunde geschehen war.
Jac versuchte vergeblich, durch den antiseptischen Krankenhausgeruch hindurch Griffins persönliche Note auszumachen. Zum ersten Mal, seit sie ihn vor fünfzehn Jahren kennengelernt hatte, roch sie ihn überhaupt nicht. Nach einer ganzen Woche voller Angst, Sorgen und Schmerzen war das der Punkt, der zu viel für sie war. Jac vergrub das Gesicht in ihren Händen und weinte.
»Ich wünschte so sehr, etwas für dich tun zu können«, flüsterte Malachai und tätschelte ihr behutsam die Schulter.
Eine Weile blieben sie so: Jac weinte, und Malachai versuchte, sie zu trösten.
Dann meinte Jac: »Griffin hat immer gesagt, ich hätte ihn zu sehr unter Druck gesetzt. Hätte ihn für besser gehalten, als er war. Aber im Museum …«
»Es war sehr mutig, was er getan hat«, sagte Malachai.
»Aber sieh ihn dir nur an! Das ist alles meine Schuld.«
»Deine Schuld? Das verstehe ich nicht.«
Jac schwieg.
»Du hast auf das Parfüm reagiert, oder?«
»Welches Parfüm?«
»Jac«, mahnte Malachai. »Lass die falsche Bescheidenheit. Griffin konnte an den Tonscherben überhaupt nichts riechen. Dein Bruder konnte es gerade so eben wahrnehmen, aber außerleichten Kopfschmerzen hat es bei ihm nichts ausgelöst. Du hast von allen die feinste Nase. Du konntest es riechen, oder? Und du konntest dich an deine früheren Leben erinnern. Das, was du all die Jahre für psychotische Schübe gehalten hast, waren in Wirklichkeit Erinnerungen.«
»Das glaube ich nicht.«
»Selbst jetzt nicht?«
»Ich habe Halluzinationen, die anscheinend von bestimmten Gerüchen ausgelöst werden können.«
»Immer noch der alte Zynismus.«
Jac zuckte mit den Schultern.
»Irgendwann wächst du da raus«, sagte Malachai mit einem Lächeln.
Jac richtete sich auf. Dieses Gespräch half niemandem weiter, weder Griffin noch ihr selbst. »Lass uns damit aufhören, ja?«
»Ich habe mit so vielen Leuten zu tun gehabt, die sich an ihre früheren Leben erinnern konnten. Manche verstehen nie ganz, was ihnen da widerfährt, aber sie lernen trotzdem daraus und wachsen daran.«
»Ich weiß ja, wie sehr du daran glauben willst, dass ich auch solche Erinnerungen habe, doch du irrst dich.«
Robbie kam mit einem Tablett herein. »Ich habe mich in einem
Weitere Kostenlose Bücher