Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)
besser verkauft als die trockenen, dicken Wälzer seines Schwiegervaters, des renommierten Ägyptologen Stuart Woods, oder mancher Fachkollegen. Griffin genoss seinen Erfolg, bis ihn Woods’ Verleger des Plagiats beschuldigte.
Erst dann hatte Griffin gemerkt, dass in dem gedruckten Buch sämtliche Verweise fehlten, die in seinem Manuskript und in sämtlichen Korrekturfahnen, die er, sein Lektor und der Korrektor geprüft hatten, noch enthalten gewesen waren. Irgendjemand musste eine falsche Datei an die Druckerei geschickt haben, in der Nachweise gelöscht worden waren.
Griffin legte sofort das Manuskript vor, und die Anschuldigung wurde fallengelassen, doch der Vorwurf blieb haften. Es war die Hölle. An der Uni hatte Griffin schon einmal mit Plagiatsvorwürfen zu tun gehabt. Der Vorfall hatte ihm die Frau genommen, die er liebte.
Jetzt musste er das alles noch einmal durchleben. Er hätte es geschafft, wäre da nicht der Zweifel in den Augen seiner Frau gewesen – derselbe Zweifel, den er viele Jahre zuvor auch in Jacs Augen gesehen hatte. Er hatte Therese um die Scheidung gebeten.
Den Rest des Vormittags über bemühte sich Griffin, eine winzige Scherbe nach der anderen anzufügen. Als er drei Stückchen weitergekommen war, versuchte er, die Hieroglyphen zu deuten, überprüfte jedes Wort im Kontext, verwarf erste Interpretationen und entwickelte neue, die er wieder überprüfte.
Währenddessen wurde ihm allmählich bewusst, dass sich Gerüche in der Werkstatt verbreiteten, sich vereinigten und zu komplexeren Aromen verschmolzen.
»Was braust du da zusammen? Das riecht ja hier wie in einer Gruft.«
»Das nehme ich als Kompliment«, sagte Robbie und wies auf ein Dutzend Glasbehälter auf dem Tisch. In jedem schwamm ein wenig Flüssigkeit in verschiedenen Gelb- und Ockertönen von Blassgelb bis zu einem tiefen Mahagonibraun. Das hereinströmende Sonnenlicht sandte farbige Lichttupfer quer durchden Raum – ein Schauspiel, das nicht minder faszinierend war als die Assonanzen dunkler Moschusdüfte.
»Ich stelle alle ätherischen Öle und Absolues zusammen, von denen wir wissen, dass sie schon im Alten Ägypten in Gebrauch waren. Ich muss doch vorbereitet sein, wenn du die Rezeptur findest …«
»Falls«, unterbrach ihn Griffin.
»Wenn«, beharrte Robbie.
Sein Enthusiasmus war so ansteckend wie eh und je. Griffin hatte noch genau vor Augen, wie Robbie als Dreizehnjähriger in den Ruinen von Languedoc in Südfrankreich stöberte. Zu dritt untersuchten sie dort an einem heißen Augusttag die Überreste eines Schlosses, stundenlang. Plötzlich stieß Robbie einen Freudenschrei aus und sprang hoch in die Luft. Einen Augenblick lang zeichnete sich seine Silhouette mit den ausgestreckten Armen gegen die Sonne ab: ein Bild reinen Glücks.
Robbie hatte eine zerkratze silberne Spange gefunden, in die eine Taube eingraviert war, und war überzeugt, dass sie von den Katharern stammte. Er war so glücklich und sich seiner Sache so sicher, dass es Griffin kaum noch verwunderte, als ein Experte bald darauf die Herkunft des Schmuckstücks bestätigte und es auf das dreizehnte Jahrhundert datierte.
Kurz vor ein Uhr am Mittag klingelte Griffins Telefon. Er sah den Namen Malachai Samuels’ auf dem Display und nahm ab.
»Deine Schwester hat sein Angebot abgelehnt«, erzählte er Robbie nach dem Gespräch.
»Das ist schade, aber es überrascht mich nicht. Seit dem Tod unserer Mutter hat Jac sich geweigert, je wieder eine Werkstatt zu betreten. Ich dachte, ein uralter Mythos von der Wiedergeburt könnte sie vielleicht aus der Reserve locken.«
»Malachai ist sehr enttäuscht. Er hat mich nach den Analyseergebnissen gefragt, und die haben seine Laune auch nichtgerade verbessert. Trotzdem hat er, als ich erzählt habe, wie weit ich mit der Übersetzung bin, sein Gebot für die Tonscherben erhöht.«
Robbie tat, als hätte er die letzte Bemerkung überhört. »Wie wäre es jetzt mit einem Café crème?«
»Robbie. Malachai meint es ernst. Darf ich dir zumindest sagen, wie viel er bietet?«
»Ich kann sie nicht verkaufen.«
»Du willst nicht mal den Betrag wissen?«
Robbie lachte. »Wieso, bekommst du Provision von ihm?«
»Die würde ich zurückweisen«, antwortete Griffin ernst. »Er bietet zweihundertfünfzigtausend Dollar.«
»Ich kann sie nicht verkaufen«, wiederholte Robbie und öffnete die Tür.
Er verschwand für ein paar Augenblicke, kehrte wieder zurück und betrachtete, über Griffins Schulter
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