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Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melisse J. Rose
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gebeugt, das Rätsel auf dem samtenen Tablett.
    »Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten, dieselben Zeichen zu deuten«, erklärte Griffin. »Immer denke ich, ich wüsste, wo es langgehen soll, und mit dem nächsten Puzzleteil sieht alles wieder ganz anders aus. Was hältst du davon:
Und von da an fanden seine und ihre Seele einander wieder und wieder bis ans Ende der Zeit.«
    »Kann ich es ganz durchlesen? Alles, was du bisher übersetzt hast?«
    Griffin reichte ihm sein Notizbuch.
    Während Robbie las, stellte sich Griffin auf die Schwelle der Flügeltür und sah in den Garten hinaus.
    Der weitläufige Hof zwischen Wohnhaus und Werkstatt war mit einer vier Meter hohen Mauer umgeben und von der Straße aus nicht einsehbar. Hinter diesen Mauern verbarg sich ein im späten achtzehnten Jahrhundert angelegter, üppiger
petit parc
mit uralten Bäumen, Buchsbaumpyramiden und Statuen.Den Mittelpunkt bildete ein Labyrinth aus Zypressenhecken. Am Samstag hatte Robbie Griffin die Geschichte des Gartens erzählt, während sie auf schwarzweißen Kieswegen zur Mitte des Labyrinths vordrangen, wo eine von Sphinxen flankierte steinerne Bank und ein hoher antiker Kalksteinobelisk zum Verweilen einluden.
    Es klopfte an der Tür.
»
Entrez!
«, rief Robbie. Lucille kam mit einem Tablett herein.
    Das gibt es auch nur in Paris, dachte Griffin, als sie den Kaffee servierte. Das nahe Café hatte ihnen ihre Bestellung in Porzellantassen geliefert, mit je einem Glas Wasser dazu, mit Servietten und Silberlöffeln. Morgens Croissants und nachmittags Gebäck oder Sandwiches – eine wunderbare Stadt.
    Robbie setzte sich mit seinem Kaffee an die Duftorgel, eine seltsame Apparatur, die in ihrer Form an das namensgleiche Musikinstrument erinnerte. Mit ihren zweieinhalb Metern Breite und fast zwei Metern Höhe nahm die Orgel ein Viertel des gesamten Raums ein. Auf der Tischfläche und den drei Regalebenen darüber, die wie Manuale über- und hintereinander gestaffelt waren, standen in mehreren Reihen unzählige Fläschchen mit Ausgangsstoffen für Parfüms. Über dreihundert verschiedene Essenzen.
    »Was weißt du über die Geschichte dieser Orgel?«, fragte Griffin.
    Robbie strich liebevoll mit einem Finger über eins der Regale. »Ich weiß nicht, wer sie hergestellt hat, doch mein Großvater hat einmal gesagt, sie sei genauso alt wie der ganze Betrieb.«
    »Also stammt sie aus vorrevolutionären Zeiten?«
    Robbie nickte und nahm einen Schluck Kaffee. »Jahrhundertelang haben Parfümeure an solchen Duftorgeln gearbeitet.« Er setzte seine Tasse ab, nahm eine Einwegpipette zurHand, öffnete eins der Fläschchen und ließ ein paar Tropfen seines Inhalts in eine leere Glasampulle rinnen. »In den heutigen Labors werden sie nur noch selten eingesetzt, aber für mich gibt es nichts Besseres. Parfüm hat so viel mit der Vergangenheit zu tun. Mit Erinnerungen. Mit Träumen …« Er breitete die Arme aus. »Jeder meiner Vorgänger hat genau diese Flaschen benutzt, hat in genau diesem Stuhl gesessen.«
    »Und jetzt hältst du als jüngster Spross des Hauses L’Étoile die älteste Herstellungsmethode am Leben«, sagte Griffin.
    »Traditionen sind wichtig. Sie geben uns Halt. Und das alles hat mein Vater aufs Spiel gesetzt, ohne zu wissen, was er tut.«
    Griffin nickte. Er wusste, wie sein Freund sich fühlen musste, und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Denk über Malachais Angebot nach. Trotz der Analyseergebnisse will er dir ein Vielfaches dessen zahlen, was das Auktionshaus als Wert ermittelt hat.«
    »Das ist ein großzügiges Angebot, aber selbst wenn ich damit alle Schulden bezahlen könnte, fände ich es nicht richtig, sie zu verkaufen. Ich weiß jetzt, was ich mit den Scherben tun muss.«
    »Ach ja?«
    »Wenn du mit der Übersetzung fertig bist, schenke ich das Gefäß dem Dalai Lama.«
    »Dem Dalai Lama? Bist du verrückt geworden? Was soll der Dalai Lama mit einem kaputten Tontiegel anfangen?«
    »Jedenfalls mehr als Malachai, der ihn in einer seiner schönen Vitrinen zur Schau stellen will. Seit zwei Tagen denke ich an nichts anderes mehr, seit dir der erste Durchbruch bei der Übersetzung gelungen ist. Wenn es wirklich einmal ein Parfüm gegeben hat, mit dem Menschen sich an ihre früheren Leben erinnern konnten, dann kann es wieder eines geben. Diese Aussicht dürfte für die Tibeter höchst motivierend sein, und für ihr Anliegen wäre ein solches Hilfsmittel von unschätzbaremWert. Damit könnten andere auf ihre verzweifelte

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