Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)
die teuren Eidechsenlederstiefel des Reporters, die ebenso durchnässt waren wie seine Jacke. Als Fauche sich nach dem Kärtchen bückte und wieder aufrichtete, rutschte die Jacke ein wenig auseinander, und er beeilte sich, sie wieder zu schließen.
Was hatte er nur zu verbergen?
»Wenn Sie möchten, kann ich hier und jetzt eine neue Rezeptur ausprobieren. Sie könnten darüber schreiben, wie sich die Komposition allmählich entwickelt. Ich werde sechs sehr alte Extrakte und Absolues verwenden: Mandel, Wacholder …« Robbie nahm ein Fläschchen nach dem anderen heraus, träufelte ihren Inhalt in einen Flakon und beobachtete dabei Fauche aus dem Augenwinkel. Ein auf Parfüms spezialisierter Journalist,der nicht das geringste Interesse daran hatte, ihm beim Entwickeln einer neuen Kreation zuzusehen? Der sich nicht einmal Notizen machte?
Fauche war aufgestanden, ging in der Werkstatt auf und ab und betrachtete die Gegenstände auf den Regalen und Tischen, als suche er etwas Bestimmtes. So etwas würde ein geladener Gast nie tun, nicht einmal ein neugieriger Reporter.
Robbie stand vor seinem Arbeitstisch und zündete den Bunsenbrenner an. »Zwei dieser Zutaten muss ich erhitzen«, sagte er und ging seine Berechnungen noch einmal durch. Hier war Präzision gefragt. Zu wenig von den Dämpfen wäre wirkungslos. Zu viel konnte tödlich sein. Doch er musste auf alles gefasst sein. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht.
Der Brenner fauchte. Die Mixtur war fertig. Robbie wollte dem Reporter noch eine Chance lassen, seine Motive und seine wahre Identität offenzulegen. Wenn seine Antwort keinen Sinn ergab, wusste Robbie, was er zu tun hatte, um sich zu schützen.
»Monsieur Fauche?«
»Ja?«
»Sie haben mir kaum Fragen gestellt.«
»Ich war mit meinen Notizen beschäftigt.«
»Geht es Ihnen wirklich um meine neue Kollektion, oder sind Sie einer ganz anderen Geschichte auf der Spur?«
Das verkniffene Lächeln, mit dem der Reporter antwortete, beruhigte Robbie ein wenig. »Ja, Sie haben recht. Da ist noch etwas.«
»Was denn?«
»Es geht das Gerücht, Sie hätten ein altägyptisches Artefakt in Ihrem Besitz.«
»Wer hat Ihnen davon erzählt?«
»Ein Journalist gibt niemals seine Quellen preis.« Fauche schien stolz auf diese geborgte Phrase zu sein.
Griffin hatte es sicher nicht weitererzählt. Robbie zermarterte sich den Kopf. Wer konnte es ausgeplaudert haben? Er hatte mit dem Rinpoche vom Buddhistischen Zentrum über seinen Plan gesprochen, das Gefäß dem Dalai Lama zu schenken, aber der Mönch hatte sich sicher nicht an die Presse gewandt. Wer dann? Ach ja, die Christie’s-Kuratorin vielleicht, die er um eine Schätzung gebeten hatte. Das war es also. Das Interesse an seinen Kreationen war nur ein Vorwand, um eine exklusive Story über den aufregenden Fund zu ergattern. Robbie war beruhigt.
»Könnte ich den Tiegel einmal sehen?«, fragte Fauche.
»Das geht nicht, so leid es mir tut. Er ist in viele Teile zerbrochen, die noch nicht alle katalogisiert sind. Ich wünschte wirklich, Sie hätten mir gleich gesagt, worum es geht, dann hätten Sie nicht bei so scheußlichem Wetter umsonst herkommen müssen.«
»Ich muss darauf bestehen, dass Sie Ihre Antwort überdenken.« Fauche biss die Kiefer aufeinander und ließ seine Hand in Richtung Tasche wandern.
Jetzt wusste Robbie, woran er war.
»Oh, aber ja, kein Grund, sich aufzuregen«, sagte er. »Wenn es Ihnen so wichtig ist, hole ich den Tiegel natürlich.« Er kehrte Fauche den Rücken zu und schob den Kolben über die Flamme des Bunsenbrenners. In den Scheiben der Flügeltür beobachtete er, wie der Mann, der alles andere als ein Reporter war, seine Schusswaffe zog.
»Beeilung, L’Étoile. Her mit dem verdammten Ding.«
»Ich suche nur rasch den Schlüssel zum Safe.« Robbie wühlte in einer kleinen Schublade zwischen Stiften, Büroklammern und Pipetten herum, während die Flüssigkeit im Kolben zu dampfen begann.
»Ah, da ist er ja«, rief er und drehte sich um.
Der selbsternannte Monsieur Fauche entspannte sich in demGlauben, sein Ziel erreicht zu haben. Als er sah, dass Robbie ohne Schlüssel vor ihm stand, wollte er protestieren, doch die Worte blieben ihm in der Kehle stecken. Er bekam keine Luft mehr. Er keuchte. Und keuchte.
Vierzehn
NEW YORK CITY
DIENSTAG, 24. MAI, 4:00 UHR
Da Jac großen Wert auf ungestörtes Arbeiten legte, hatte sie wie so oft, wenn sie eine neue Folge ihrer Fernsehsendung nachbearbeitete, die Nacht
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