Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)
Stiftung eingesetzt hatte, konnte er sich nicht absichern. Er war in den letzten Jahren mehrmals im Zusammenhang mit Diebstählen verhört und einmal sogar verhaftet worden. Zwar war es nie zu einer Anklage gekommen, doch immer, wenn es um Erinnerungshilfen ging, gehörte er für das FBI zu den Hauptverdächtigen. Im Augenblick gab es zwar keine Anzeichen, dass man ihn beobachtete, doch bestimmte Gespräche führte er dennoch lieber draußen.
»Wie steht es um Ihre Kontakte in Paris?«, fragte Malachai.
»Gut.«
Ein Kleinkind riss sich von seiner Mutter los und tappte denbeiden Männern in den Weg. Sofort kam die Mutter herbeigestürzt und entschuldigte sich für die Störung.
Malachai versicherte lächelnd, es sei alles in Ordnung. Erst als die Frau wieder außer Hörweite war, setzte er das Gespräch fort.
»Sehr gut wäre mir lieber.«
»Ich tue mein Bestes.«
»Das wird diesmal nicht reichen.«
Malachai beging nie selbst ein Verbrechen und hatte doch mehrfach die Grenzen des Gesetzes überschritten. Er war nicht als Einziger hinter den sagenumwobenen Erinnerungshilfen her und hatte sich gezwungen gesehen, seinen Leuten heikle Aufträge zu erteilen. Dennoch hatte er bisher keinen Erfolg gehabt.
»Es hat zu viele Missgeschicke gegeben, Winston. Wir haben Chancen vertan. Wenn diesmal etwas schiefgeht, war das unser letztes Arrangement.«
»Wir hatten ein gutes Team …«
Malachai legte dem Jüngeren die Hand auf die Schulter. Für jeden Außenstehenden mussten sie wie Vater und Sohn oder wie Onkel und Neffe aussehen. »Ich bin nicht hier, um über Ihre Methoden zu diskutieren, sondern um Ihnen die Situation zu verdeutlichen. Verstanden?«
»Ja, natürlich«, sagte Winston, diesmal ohne sein typisches Lächeln.
»Fotos des fraglichen Objekts sowie einen Namen samt Adresse lasse ich morgen direkt in Ihr Domizil bringen.«
»Domizil? Ha! Wenn Sie meine Bude mal gesehen hätten, würden Sie sie nicht so nennen.«
Sie liefen unter einer Pergola hindurch, die üppig von Blauregen überwuchert war. So schön die Buntglasfenster mit dem Abbild dieser Pflanze in der Phoenix Foundation auch waren, an die echten lavendelfarbenen Blüten und saftig grünen Rankenreichten sie nicht heran. Malachai hob den Kopf, um den Duft der tief herabhängenden Blütentrauben in sich aufzunehmen. Er hätte nicht sagen können, ob er ihn je zuvor wahrgenommen hatte. Im Zuge seiner Recherchen hatte er gelesen, dass sich der Geruch mancher Pflanzen nicht extrahieren ließ. Chemiker bemühten sich darum, synthetische Versionen zu erzeugen, die sich jedoch mit den Kunstwerken der Natur nicht messen konnten. Sobald er wieder im Büro war, wollte er Jac anrufen und sie fragen, ob auch der Blauregen zu diesen Pflanzen gehörte.
»Haben Sie schon einmal Blauregen gerochen?«, fragte Malachai.
»Blauregen? Nicht dass ich wüsste«, antwortete Winston verwirrt. Dann schnupperte er. »Oder, warten Sie«, er schnupperte noch einmal, »vielleicht doch. Der Geruch erinnert mich an das Haus meiner Großmutter. Vielleicht war die große Rankpflanze an ihrer Veranda ein Blauregen.«
»Gerüche wecken Erinnerungen. Manchmal begegnet einem ein ganz bestimmter Duft, und schon steht einem ein ganzer Tag der Kindheit wieder so klar und deutlich vor Augen, als sei es gestern gewesen.« Malachai räusperte sich. »Das habe ich bei meinen Recherchen herausgefunden.«
»Den Recherchen zu dem Objekt, das ich finden soll?«
»Genau.«
»Und wenn ich es gefunden habe, soll ich es dann herholen?«
»Nein. Ich möchte es vorerst nur im Auge behalten.«
Der ehemalige Interpol-Agent hob die Augenbrauen. »Das ist alles?«
»Ja. Wir gehen die Sache diesmal langsamer an. Ich kann mir keine Fehler mehr leisten. Und es sind Freunde von mir in die Angelegenheit verwickelt.«
»Wir gehen also behutsam vor?«
Malachai nickte. Die Suche nach den Erinnerungshilfenhatte bereits zu viel gekostet – nicht nur Geld, sondern auch Menschenleben. Und es war kein Ende abzusehen. Malachai wollte nur eine einzige von ihnen haben. Mehr nicht. Doch genauso gut hätte er sich »nur« wünschen können, die Sterne vom Himmel zu holen.
Bisher war es ein unerreichbarer Traum geblieben, doch Malachai gab nicht auf. Sein ganzes Leben hatte er der Reinkarnationsforschung verschrieben, und er war fest entschlossen, das Wissen der Menschen über die Vergangenheit und Zukunft zu revolutionieren. Er wollte ihnen die Hoffnung wiedergeben. Drei Mal war er kurz davor gewesen, eine
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