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Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melisse J. Rose
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und was hier passiert ist?«
    »Kommen wir auf Ihre Fehde zurück«, sagte der Inspektor.
    »Na gut«, gab sie auf. »Ich habe einen Käufer für zwei unserer bekanntesten Parfüms gefunden. Der Kaufpreis würde ausreichen, um unsere Schulden abzuzahlen, die Darlehen umzuschulden und wieder liquide zu werden.«
    »Und Ihr Bruder war damit nicht einverstanden?«
    »Ist. Er ist nicht einverstanden. Er hält an der Illusion fest, dass unsere Parfümklassiker unverzichtbar seien. Er glaubt, wir würden den Ruf unseres Hauses ruinieren, wenn wir auch nur zwei davon verkaufen.«
    »Und brauchen Sie sein Einverständnis, um den Verkauf durchführen zu können?«
    »Ja, wir sind gleichberechtigte Eigentümer.«
    »Es sähe ganz anders aus, wenn Sie Alleineigentümerin wären, nicht wahr? Wenn Ihr Bruder zum Beispiel verstorben wäre.«
    Jac entfuhr ein kehliger Laut, wie der Schrei eines Tiers, das in die Falle gegangen ist.
    Griffin erhob sich. »Ich denke, das reicht jetzt, Inspektor.«
    Doch Marcher ignorierte ihn. »Ich muss Sie darum bitten, keinesfalls das Land zu verlassen, Mademoiselle.«
    »Aber warum?«
    »Wir werden herausfinden müssen, ob Sie mit dem Verschwinden und dem möglichen Tod Ihres Bruders in Verbindung stehen.«
    »Das ist doch lächerlich.« Jac stützte sich auf den Tisch und stand so abrupt auf, dass ein dicht an der Kante stehender Parfümflakon zu Boden fiel und zerbrach.
    Sofort hüllte ein intensiver Duft sie ein und überwältigte Jac so sehr, dass sie kaum wahrnahm, wie der Inspektor sich verabschiedete und ging. Sie hatte dieses Parfüm seit Jahren nicht gerochen, dennoch erkannte sie es sofort. Es war eine der Rezepturen aus dem Spiel der unerhörten Düfte. In dem kleinen olfaktorischen Vokabular, das Robbie und Jac sich in ihrer Kindheit ausgedacht hatten, stand dieses Parfüm, Jacs liebstes, für Treue. Sie hatte dafür zu einer satten Basisnote aus Eichenmoos Bergamotte hinzugefügt und einen warmen, holzigen Duft erschaffen, eine Chypre, wie sie der legendäre Parfümeur François Coty 1917 erstmals populär gemacht hatte. Jacs Duft der Treue war weder ein Frauen- noch ein Männerparfüm, sondern konnte von beiden Geschwistern getragen werden. Und so musste es auch sein, fand sie, damit sie einander signalisieren konnten, dass sie die Hilfe des anderen brauchten. Meist bedeutete es, dass einer von ihnen Streit mit ihren Eltern hatte und des Beistands bedurfte. Jac hatte dieses Parfüm weit öfter aufgetragen als Robbie.
    Sie hatte nicht gewusst, dass er ihre Kreationen von damals aufbewahrt hatte. Und warum stand dieser Flakon ausgerechnet an der Schreibtischkante?
    »Hat Robbie dir von diesem Duft erzählt?«, fragte sie Griffin, während sie die Scherben aufsammelte.
    »Nein.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja, wieso? Was ist damit?«
    »Ich glaube nicht, dass dieses Parfüm gestern schon hier gestanden hat. Sonst hätte ich es bestimmt gesehen oder gerochen. Seit ich hergekommen bin, habe ich Dutzende Male hier am Schreibtisch gesessen. Und der Flakon – die Sorte hat unser Vater schon seit Ewigkeiten nicht mehr benutzt. Alle, die damals noch übrig waren, hat er uns Kindern zum Spielen gegeben.«
    »Das verstehe ich nicht. Was soll an einem zerbrochenen Flakon so wichtig sein?«
    »Was, wenn Robbie lebt? Was, wenn er letzte Nacht hier war? Vielleicht hat er mir das Parfüm als Botschaft hingestellt. Die Schuhe und das Portemonnaie könnten auch eine Botschaft sein. Vielleicht hat Robbie sie am Fluss deponiert, damit jemand sie findet und mich benachrichtigt. Es kann doch kein Zufall sein, dass sie an einem Ort gefunden wurden, an dem Robbie und ich schon einmal waren. Einem Ort, der mich so verängstigt hat, dass er unsere Großmutter überreden musste, den Urlaub abzubrechen.«

Achtundzwanzig
     
     
    PARIS, FRANKREICH
    DONNERSTAG, 26. MAI, 15:00 UHR
     
    Es nieselte, als Griffin die Metrostation Porte Dorée hinter sich ließ. Die Sonne war hinter einer Wolkenbank verschwunden, und der Eingang zum Bois de Vincennes war in dichten Nebel gehüllt. Hin und wieder durchdrang ein goldener Schimmer den Dunst, doch die Statue der Athene, die wie ein Leuchtfeuer aus dem Nebel ragte, war erst ganz zu sehen, als Griffin kurz vor ihrem Sockel stand. Der Springbrunnen zu ihren Füßen ergoss sich in ein langes Wasserbecken, in dessen glatter Oberfläche sich der graue Himmel spiegelte. Palmen flankierten das Becken wie dunkle Fahnenmasten.
    An einem sonnigen Wochenende, dachte Griffin, war der

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