Das Haus der verlorenen Herzen
Ich bin so glücklich, daß ich weinen könnte vor Glück. Ich lebe weiter, und mein neues Herz klopft, klopft, klopft … Ein unbeschreibliches Gefühl!«
Auch dieses Tonband überzeugte nur halb. Männer, die zwei Millionen Dollar bezahlt haben, sind mißtrauisch. Wer garantierte, daß auf dem Band nicht ein Arzt gesprochen hatte? Auch Dr. Nardos kecke Erzählung, Thaleb habe schon wieder Interesse an Frauen und habe gefragt, wann er wieder, nach langer, langer Zeit, so richtig, mit Freuden – fand nur ein geteiltes Echo. Der Fernsehbericht aus Kapstadt war greifbarer, glaubhafter. Den toten Waskansky gab es wirklich … Den geretteten Thaleb hatte noch keiner gesehen!
»Sie müssen selbst überzeugen, Chef!« sagte Dr. Nardo am Telefon. »Die beste Wahrheit ist die greifbare. Wenn Sie jetzt neue Transplantationen vornehmen würden! Die Gelegenheit ist sehr günstig. In Palermo liegt ein Autounfall, der mit den Geweben von Basil Hodscha harmonieren könnte.«
Basil Hodscha war Patient Nr. 6 auf der Liste. Ein steinreicher Kaufmann aus Lyon, mit einem irreparablen Herzklappenfehler, der dem massigen Mann nur gestattete, sich im Zeitlupentempo zu bewegen. Sorianos Agenten hatten ihn in Kapstadt angesprochen und sofort nach Camporeale gebracht, nachdem Professor Barnard die Operation abgelehnt hatte. Das besondere an Basil Hodscha, einem geborenen Armenier, war, daß er statt zwei Millionen Dollar von sich aus drei Millionen geboten hatte, wenn er ein neues Herz bekäme. Soriano hatte nur zwei kassiert; die andere Million sollte als Erfolgshonorar gelten.
»Sie gehört dir, Enrico«, hatte er zu Dr. Volkmar gesagt. »Eine schwarze Million, auf einem Schweizer Konto!«
»Sie wird da verschimmeln!« hatte Volkmar geantwortet. »Oder werde ich jemals wieder in die Schweiz kommen?«
»Warum nicht? Wenn ihr geheiratet habt … Wenn du dich endlich an mich gewöhnt hast …«
»Also verschimmelt sie doch!«
Das Thema war damit erledigt. – Aber Basil Hodscha lag auf Zimmer 6, bekam kräftigende Injektionen und eine herzunterstützende Behandlung. Und wartete auf sein neues Herz. Volkmar untersuchte ihn gründlich und entschied, daß Basil nicht operiert werden dürfe. Nicht nur das Herz war stark geschädigt, auch das gesamte Adernsystem war durch Ablagerungen von Cholesterin verfettet. Ein neues Herz würde nur die Hälfte der Probleme beseitigen.
»Noch gibt es keine Adernreiniger, so wie man Kalklöser in Rohrleitungen schüttet«, sagte er zu Soriano und Dr. Nardo. »Ich lehne eine Operation Basil Hodschas ab.«
Von da an sprach man nicht mehr darüber. Es war sinnlos, mit Dr. Volkmar zu diskutieren. Aber Dr. Nardo arbeitete weiter. Er setzte Basil als nächsten Anwärter auf die Liste und suchte aus den eingehenden Testberichten der dreiunddreißig Männer im siebenten Stockwerk von Flügel III des ›Kinderheimes‹ die passenden aus. Es kamen zwei in Betracht: Ein Landarbeiter aus Mascalucia bei Catania und ein Elektriker aus Caserta, in der Nähe von Neapel. Beide waren zweiundzwanzig Jahre alt, groß und stämmig, mit Herzen wie aus einem Lehrbuch, strotzend vor Gesundheit.
»Vor Weihnachten operiere ich nicht mehr!« sagte Dr. Volkmar am Telefon. »Und Basil Hodscha überhaupt nicht! Gut, ich komme nachher, ich spreche mit den Patienten. Hat Thaleb von Waskanskys Tod gehört?«
»Nein. Sollen wir es ihm sagen?«
»Noch nicht. Er ist noch nicht aus dem kritischen Stadium heraus.«
In der Klinik hatte Volkmar den ganzen Tag damit zu tun, von Zimmer zu Zimmer zu gehen und die aufgescheuchten Patienten zu beruhigen. Die Unterhaltungen fanden meistens in englischer Sprache statt, lediglich Basil Hodscha sprach nur Armenisch und Französisch.
Allerdings sah die Beruhigung anders aus, als sie sich Dr. Nardo gedacht hatte. Volkmar zerstreute keine Bedenken, sondern sagte: »Wenn Sie glauben, daß das Risiko zu groß ist, bin ich der letzte, der Sie hindern würde, wieder nach Hause zu fahren. Erinnern Sie sich an die Worte, die ich Ihnen bei der Aufnahme gesagt habe: Eine Herztransplantation in der Art, wie ich sie durchführe, schließt immer das größte Risiko ein, das medizinisch denkbar ist. Und Sie haben geantwortet: ›Ob so oder so – ich riskiere nichts mehr! Mit meinem alten Herzen sterbe ich bestimmt.‹ Dem kann nicht widersprochen werden. Ich sage Ihnen jetzt noch einmal: Es gibt keine Garantie! Es gibt nur den Glauben, daß es gutgehen kann …«
»Das nennen Sie Beruhigung?« sagte Dr.
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