Das Haus der verlorenen Herzen
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Er ließ sich auf den Rücken fallen, zog die Knie an und breitete die Arme weit aus. Die Kälte des Marmorbodens durchdrang ihn und tat ihm wohl.
Ich habe kapituliert, dachte er. Verurteilt mich alle, alle! Aber ich bin auch nur ein Mensch! Was hättet ihr an meiner Stelle gemacht? Loretta geopfert?! Wer das sagt, den nenne ich auch einen Mörder!
Er zuckte zusammen. Loretta war zurückgekommen, beugte sich über ihn und küßte ihn. Ihr Haar duftete nach Rosen, ihr Körper fühlte sich wie seidiger Samt an.
Sie beugte sich weiter über ihn, bis ihre schönen Brüste über seinem Gesicht glänzten. Sie war nackt. Er griff nach ihr und zog sie zu sich herunter.
»Bist du verrückt?« flüsterte er. »Worthlow …«
»Ich habe die Türen abgeschlossen. O mein Liebling …«
Sie kroch über ihn wie eine Schlange, so glatt und so geschmeidig, ihre Hände erregten ihn maßlos wie ihre Lippen, die über seinen Körper tasteten.
»Wir leben …« sagte sie leise und biß ganz leicht in sein Ohr. »Mein Gott, wir leben! Weißt du denn, wie lange wir es dürfen?! Jede Stunde, jede Minute ist kostbar.«
Sie liebten sich auf dem Marmorboden am Rande des Schwimmbeckens und ließen sich dann mit dampfenden Körpern ins Wasser fallen. Loretta sagte lachend: »Warum habe ich mir eigentlich die Haare gefönt?«
Zwei Jahre später ereignete sich in Rom ein Unfall.
Ein Mann, der Kleidung nach sehr wohlhabend, trat aus einem Weinlokal, überquerte die Straße, um zu seinem Wagen zu kommen und achtete nicht darauf, daß ein jugendlicher Motorradfahrer von der anderen Seite heranbrauste. Ehe der junge Mann hupen oder bremsen konnte, prallten sie schon zusammen. Der ältere Herr flog ein paar Meter durch die Luft, krachte dann auf das Pflaster und blieb besinnungslos liegen.
»Er ist mir 'reingelaufen!« schrie der Junge, den sofort eine Menschenmenge feindlich umringte. »Ihr habt es doch alle gesehen! Kommt einfach über die Straße! Keiner hätte da noch bremsen können! Keiner! Mach mir das einer mal vor! Ich habe keine Schuld! Das kann ich beweisen …«
Vordringlich war zunächst, den verletzten älteren Herrn zu retten. Mit Blaulicht und Sirene raste der Krankenwagen ins Spital. Der junge Notarzt im Wagen beatmete den Verletzten mit einer Sauerstoffmaske, aber die Gesichtsfarbe des Mannes wurde immer bläulicher. Der Puls verebbte.
»Wenn das noch gut geht!« rief der Notarzt, als man die Trage im Spital aus dem Wagen schob. Ein Oberarzt betrachtete den Mann kurz und nickte.
»Sofort zur Herzmassage!«
Im Laufschritt brachten die Sanitäter den Sterbenden zum Unfall-OP, wo – von der Pforte bereits informiert – ein Arzt und eine Schwester warteten. Der Oberarzt, der neben der Trage herlief, winkte ab, als er die Beatmungsapparatur sah, die man heranrollte.
»Blödsinn!« rief er und rannte zu dem Sterilbecken, tauchte die Hände hinein und schüttelte sie aus. »Auf den Tisch! Intrathorakale Herzmassage! Macht sofort den Interkostalschnitt! Los! Los! Und 'ran mit dem Reanimator!«
»Herzstillstand!« sagte der junge Notarzt und sah seinen Oberarzt an.
»Aufmachen! Verdammt!«
Der Oberarzt stürzte zum Tisch und setzte das ihm gereichte Skalpell an. Es ging um Sekunden. Die Sauerstoffunterbindung zum Hirn konnte irreversible zerebrale Schädigungen hervorrufen. Das bedeutete ein Weiterleben im Stadium blöder Hilflosigkeit.
Die Schwester und der Arzt rissen dem Verletzten das Hemd auf. Zwei weitere Ärzte stürzten in den Unfall-OP, um zu helfen. Und dann standen sie alle, einschließlich des Oberarztes, erschrocken vor dem bloßgelegten Brustkorb. Eine große, gebogene Narbe zog sich über den ganzen Thorax.
»Maria!« sagte der Oberarzt leise. »Das sieht aus, als habe er schon mal eine Thoraxoperation gehabt! Wir müssen aufmachen! Sauerstoff her! Blutplasma! Ich brauche einen Cro-Tubus! Verdammt noch mal, welche Lahmärsche stehen hier herum …«
Der Interkostalschnitt. Der Griff in den Brustkorb. Ein Muskelklumpen, der nur noch unmerklich zuckte. Die Finger des Oberarztes drückten und schnellten zurück, zwangen das Herz, weiterzupumpen. Gleichzeitig wurden die Infusionen gegen den Unfallschock gelegt, reiner Sauerstoff flutete mit dem Blut ins Gehirn.
»Wir schaffen es!« stöhnte der Oberarzt. »Jungs, wir haben ihn bald soweit. Das Herz kommt wieder! Da … es macht wieder mit! Gewonnen …«
Drei Stunden später – der gerettete ältere Herr, der laut Paß, den er bei sich getragen
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