Das Haus der verlorenen Herzen
der Vorwurf, Heinz nicht so geliebt zu haben, wie er es verdient hatte –, so gab sie sich jetzt voll der Reue hin, Volkmar und sich um die schönsten Stunden betrogen zu haben, und das nur, um ihren selbstzerstörerischen Emanzipationsideen zu huldigen. Eine Frau ordnet sich nicht unter, auch nicht im Bett. Sie soll auch dort überlegen sein. So wie man sagt: »Schönen Dank für den Drink!«, so kann man auch sagen: »Im Bett warst du ganz nett. Tschüß!« Man zeigt dann, daß der Mann für eine Frau durchaus nicht so lebensnotwendig ist, wie er immer annimmt.
Diese verschenkten Stunden allzu wohlwollender Zärtlichkeit, allzu gebändigter Seelenfreude und nur bedingter körperlicher Hingabe konnte sie jetzt nicht korrigieren. Hinzu kam, daß sie sich eingestand, Heinz wahrhaftig geliebt zu haben. Es würde schwierig sein, mit ihren nun dreißig Jahren noch einmal einen Mann zu finden, dem sie innerlich so verbunden sein konnte wie Volkmar.
Das alles war natürlich dem Polizeikommissar von Cagliari nicht geläufig und ging ihn auch nichts an, aber als Angela Blüthgen den Wunsch äußerte, ganz in der Nähe des Unglücksortes ein paar Wochen zu wohnen, telefonierte man herum und fand auf dem Capo San Marco eine Fischerhütte, die man eigentlich einer Madame aus Deutschland kaum anbieten konnte. Der Fischer Giovanni Responatore – sein klangvoller Name war das einzig Eindrucksvolle an ihm – hauste hier mit seinen Netzen, einem alten Boot, zwei Schafen, einem Schwein, einem Esel und seiner Frau, wobei sich aus der Reihenfolge die Wertmaßstäbe Giovannis ableiten lassen. Als ein Carabiniere ihm verkündete, daß eine deutsche Signorina bei ihm wohnen werde – Befehl aus Cagliari –, nahm Giovanni das hin wie ein Unwetter auf See. Er trieb seine Frau Recha mit lauter Stimme zu vermehrter Arbeit an, ließ das baufällige Haus putzen, fuhr aufs Meer, holte aus einer Reuse eine dicke Languste und opferte Reis für einen dicken Risotto.
»Sie wird dir genug Lire bringen!« sagte der Carabiniere, nachdem Giovanni eine Stunde lang gejammert hatte. »Außerdem ist sie ein wenig verrückt. Sie wartet auf einen Toten, der nie kommen wird.«
»Aha!« sagte Giovanni. »So eine ist das! Und warum gerade bei mir?«
»Weil der Mann in der Nähe ertrunken ist.«
»Der Deutsche mit seinem Zelt?«
»Genau der.«
»Sie ist seine Witwe?«
»Anzunehmen. Säße sie sonst herum und wartete auf die Leiche? Wird sich wundern, wie er aussieht, wenn er wirklich an Land kommt.«
Es war nicht zu verhindern. Angela Blüthgen zog bei Giovanni Responatore ein, aß den Risotto und die wirklich guten Langustenstücke, trank auch einen halben Liter roten Landwein und ging dann am Ufer des Meeres spazieren.
Giovanni beobachtete sie hinter seinen aufgespannten Netzen, an denen immer etwas zu flicken war. Eine arme Frau, dachte er. So jung, so schön, was könnte die mit ihrem Leben alles noch anstellen! Und was macht sie? Sie wandert am Meer entlang und beschwört es, einen toten Mann wieder herzugeben.
In dieser Nacht, in der Angela auf der mit einem Strohsack belegten Holzpritsche schlief und zu sich selbst vor dem Einschlafen sagte: »Wenn du hier länger als zwei Wochen bleibst, bestreust du dein Haupt mit Asche und verlierst völlig den Verstand!«, fuhr von Cagliari ein schnelles Motorboot der Frucht-Compagnie Adriano Oreto um die Südspitze Sardiniens herum und näherte sich mit abgeblendeten Lichtern dem Capo San Marco. Der kreisende Lichtfinger des Leuchtturms zuckte über das Schiff hinweg, man stellte die Motoren ab und studierte noch einmal auf den Seekarten die dort eingezeichneten Meeresströmungen.
»Noch zwei Meilen nach Norden!« sagte der Schiffsführer. »Aber sicher ist das nicht!«
»Wir haben den Wunsch Don Eugenios ausgeführt, was will er mehr?« Oreto, von Natur aus kein Mensch, der mit dem eigenen Gewissen rang, kam sich unbehaglich wie selten vor. In einem Verschlag neben dem Ruderhaus lag der nur mit Volkmars Badehose bekleidete Tote, dem der alte Zahnarzt bescheinigt hatte, er besitze jetzt bis auf das letzte Bohrloch genau das gleiche Gebiß wie der richtige Dr. Volkmar. Was nicht ganz stimmte, war der Winkel der Zähne zum Kiefer, der bei den Menschen sehr unterschiedlich ausfällt, aber man hoffte darauf, daß niemand sich um diese Kleinigkeit kümmern würde. Der Zustand des Toten erlaubte es wohl auch nicht. Man hatte ihm, bevor man ihn an Bord nahm, erst einmal durch die Flügel einer
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