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Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aufgenommen, zum Teil mit einer Makrolinse.
    Schweigend beobachtete Volkmar, wie Dr. Nardo und seine Helfer das Herz eines Hundes teilweise heraustrennten und ein anderes Hundeherz an seine Stelle einpflanzten. Das war der rein technische Akt. Eingeblendet waren Tabellen mit den serologischen Untersuchungen, den Proteinzusammensetzungen, den Gewebeproben, den hämatologischen Werten. Dann ein Sprung von zwei Tagen: der gleiche Hund auf dem Seziertisch. Deutlich erkannte man, wie das eingepflanzte Herzstück vom Restherzen und allen Abwehrstoffen des Körpers zerstört worden war. Ein wertloses Stück Fleisch.
    So ging es Film um Film, zwei Stunden lang … Für Dr. Nardo mußte es schrecklich sein: Er führte seine Kapitulation vor.
    »Was machen wir falsch?« fragte Soriano, als die Lichter wieder angingen.
    »Nichts – und doch alles!«
    »Was soll das heißen?«
    Soriano lehnte sich zurück. Dr. Nardo kam aus dem Vorführraum und setzte sich neben Dr. Volkmar. Soriano reichte Zigaretten herum. Dr. Volkmar hatte Appetit auf einen doppelten Kognak, aber zu trinken gab es hier nichts.
    »Sie operieren genau wie wir, wie alle auf der Welt, die sich mit Herztransplantationen beschäftigen. Abgesehen von einigen Modifizierungen sind es die gleichen Operationsmethoden, die gleichen biologischen Untersuchungen, Vorbereitungen und Nachbereitungen. Und die gleichen Niederlagen! In Amerika, vor allem in Houston/Texas, schwört man auf die Zukunft des Kunstherzens aus Plastik. In Paris bevorzugt man die natürliche Methode: Menschenherz für Menschenherz, dafür weitgehende Ausschaltung der Abwehrstoffe im Körper. Das geht natürlich … Aber dann wird jeder Schnupfen sofort tödlich, und wer hustet, kann seinen Sarg bestellen. So weiterleben zu müssen ist auch nicht der Sinn eines neuen Herzens.«
    »Aber der Anfang ist doch gemacht, Enrico!« sagte Soriano laut.
    »Ein Anfang ist immer da – es fragt sich nur, wie lange der Anfang dauert! Schon im alten Ägypten machten die Ärzte Schädeltransplantationen, und man kannte den Knochenkrebs ebenso gut wie ein Dickdarmkarzinom! Alles Anfänge … und wie weit sind wir in fünfhundert Jahren Medizin mit dem Krebs gekommen? Gut: die Früherkennung. Die Operation. Die Nachbestrahlung. Chemotherapie. Aber seien wir doch ehrlich – und das ist für Mediziner sehr schwer! –, wo stehen wir wirklich? Haben wir Metastasen erkannt, dann reden wir mit schönen Worten immer nur drumherum.« Er zerdrückte seine Zigarette in einem Aschenbecher, der in der Rückenlehne des Vordersitzes eingebaut war. »Bei der Herztransplantation saugen wir noch die Muttermilch der Medizin, aber es sind widerspenstige Brüste!«
    »Und Sie, Dottore?« fragte Soriano.
    »Wieso ich?«
    »Warum lebten bei Ihnen alle Tiere länger als bei anderen Herzchirurgen? Sagen Sie jetzt bloß nicht: Das sind Zufälle! Auch das, was Sie hier gesehen haben, waren deutsche Hunde und sozusagen deutsche Affen, die wir mit Klößen und Eisbein gefüttert haben! Ich habe über Fernschreiben alles heranholen lassen, was Sie publiziert haben und was man von Ihnen in Deutschland erzählt. Sie stellen sich dieses ganze Herztheater offenbar anders vor als andere Ärzte.«
    »Um Tote ranken sich immer Legenden. Und ich bin ja amtlich tot!«
    »Übermorgen ohne den geringsten Zweifel. Da wird Ihre Leiche angeschwemmt, das wissen Sie ja, Dottore.« Dr. Soriano legte die Hände gegeneinander. »Sie werden der erste Arzt sein, der ein Herz verpflanzen kann. Ich weiß das!«
    »Das können viele Ärzte.«
    »Herzen, die sich nicht abstoßen lassen?«
    »Nein! Noch nicht …«
    »Das ist es!« Soriano sprang auf. »Dieses noch ist die Zukunft. Für dieses noch sollen Sie wie ein lebender Gott behandelt werden! Wenn Sie ›noch nicht‹ sagen, weiß ich, daß Sie einmal sagen werden: Jetzt haben wir's geschafft! Sie und ich – wir haben Zeit genug, darauf zu warten.«
    Man muß es den sardinischen Behörden mit Anerkennung bescheinigen: Sie ließen Dr. Angela Blüthgen, nachdem man ihr gesagt hatte, daß für ein Wiederauftauchen Dr. Volkmars gar keine Hoffnung bestand, nicht einfach allein in ihrem kleinen Hotelzimmer in Cagliari, sondern der für den Fall zuständige Polizeikommissar kümmerte sich voll Mitgefühl um sie. Obwohl Angela weder den Anspruch einer Witwe hatte noch ihr sporadisches Liebesleben mit Volkmar sie zu ergreifender Trauer berechtigte, geschah mit ihr eine innere Wandlung.
    Waren es zuerst Schuldgefühle –

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