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Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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herunterzuspülen: den schrecklichen Anblick einer Wasserleiche, die nicht nur das Salzwasser, sondern offensichtlich auch eine Schiffsschraube zerstört hatte. So etwas sieht man nicht alle Tage, und es gehört auch nicht zum Ausbildungsprogramm der Polizei.
    »Wen?« fragte Giovanni dumm. Dann begriff er, umklammerte seinen Tonbecher und starrte hinaus zum Fenster. Von hier aus sah man nur den großen Strohhut am Meer. »Madonna«, stammelte er. »Wo?«
    »Er lag zwischen den Klippen vom Capo Mannu. Nördlich, in einer Bucht. Die Strömung der letzten Flut hat ihn angeschwemmt.« Der Polizist füllte aus der Korbflasche noch einen Becher voll Wein und trank, als käme er aus der Wüste. »Der Kommissar hatte schon so eine Ahnung. Man hat die Strömung studiert; wenn er wieder an Land kommen sollte, dann mußte es irgendwo dort sein. Und siehe da … Auf das Meer ist Verlaß.«
    »Und ihr seid sicher, daß er es ist?« fragte Giovanni mit belegter Stimme.
    »Er hat seine Badehose noch an. Der Kommissar sagt, daß nach der Beschreibung der Badehose gar kein Zweifel mehr besteht.«
    »Dann wäre der Fall gelöst?« fragte Recha.
    »Das ist er.«
    »Dann kann sie wieder abreisen«, sagte Recha nüchtern.
    »Ist sie nicht ein rohes Weib?« schrie Giovanni. »Ein Herz wie ein Kieselstein! Ich armer Mann! Habe fünfunddreißig Jahre mit einem Stein gelebt!«
    »Wer sagt es ihr?« fragte der andere Polizist und stärkte sich mit einem kräftigen Schluck.
    »Das ist es!« Giovanni starrte wieder auf den leuchtenden gelben Strohhut am Meer. »Sie wartet darauf. Aber wenn's dann soweit ist, weiß man nie, wie man's ausdrücken soll. Man kann doch nicht hingehen und sagen: ›Signora, Ihr Bräutigam klebt zwischen den Klippen von Capo Mannu. Aber Sie erkennen ihn nur wieder an seiner Badehose.‹ Das geht doch nicht! Man muß es ihr schonend beibringen.« Er sah die Polizisten an. »Ist das nicht Aufgabe der Beamten?«
    »Dazu sind wir gekommen.« Der erste Polizist begann zu schwitzen. »Ihr das zu sagen, geht ja noch. Aber die Gegenüberstellung. Die Identifizierung! Ich habe ihn angeguckt und sofort gekotzt. Wenn jemand in eine Schiffsschraube gerät …«
    Er schwieg erschüttert. Auch ein Carabiniere ist nur ein Mensch.
    »Wie benimmt sie sich?« fragte der andere.
    »Wie eine aus dem Film!« schnaubte Recha. »Wackelt den ganzen Tag herum. Gestern hat sie sogar nackt gebadet.«
    »Was hat sie?« schrie Giovanni. »Wann?!«
    »Am Abend. In der Dunkelheit. Du lagst schon im Bett! Dem Himmel sei Dank! Läuft da nackt am Meer herum und rennt in die Wellen, als wollte sie sich von einer ganzen Kompanie Männer bespringen lassen! Dann ist sie am Strand hin und her gerannt, bis sie trocken war! So eine ist das!«
    »Und sonst?«
    »Genügt das nicht?« brummte Recha. »Sieht so Trauer aus?!«
    »Soll sie sich in Asche wälzen?« schrie Giovanni.
    »Vielleicht tut sie's jetzt, wenn sie ihn sieht.« Die Polizisten erhoben sich, stülpten die Lederhelme über und tranken ihre Weinbecher aus.
    »Die ist zäh!« sagte Recha böse. »Oh, die ist zäh! Die schreit nicht, die fällt nicht um, die kotzt nicht wie ihr Memmen von Männern! Jetzt hat sie endlich, was sie will: Sie kann ihn mit nach Deutschland nehmen.«
    Angela erhob sich aus dem Sand des Strandes, als die beiden Polizisten langsam auf sie zukamen, drückte den breiten Strohhut tiefer ins Gesicht und kam ihnen sogar entgegen: eine Frau, bei deren jeder Italiener leise durch die Zähne pfeift.
    »Man hat ihn gefunden, nicht wahr?« fragte sie, bevor einer der Carabinieri den Mund öffnen konnte.
    »Ja.«
    Ihr Gesicht blieb unbewegt, obgleich in ihrem Inneren etwas zerriß. Ein Körnchen Hoffnung war ihr ja immer noch geblieben; der wahnsinnige Gedanke, Heinz sei abgetrieben und später von einem Schiff aufgefischt worden. Bis man Nachricht geben konnte, waren schnell ein paar Tage herum. Aber das war auch nur eine verzweifelte Hoffnung gewesen, das letzte, was Angela sich einreden konnte. Nun hatte man ihn gefunden. Ein Abschnitt des Lebens, ein großer, schöner, war abgeschlossen. Jetzt folgte eine Leere, von der Angela noch nicht wußte, wie sie sie ausfüllen sollte. Mit Arbeit in der Klinik, mit Männern, die nur dazu da sein würden, die Erinnerung an Heinz Volkmar auszulöschen. Aber das würde wohl keinem gelingen. Konnte man mit körperlicher Lust die Seele betäuben?
    »Wo?« fragte sie.
    »Nördlich. Am Capo Mannu. Vor zwei Stunden. Eine Frau, die Krebse suchte,

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