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Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Polizist zeigte mit dem Daumen hinter sich. »Die Hausnummer weiß ich nicht. Aber da kennt ihn jeder. Frag dort noch mal.«
    Anna bedankte sich, drückte den Brotbeutel mit den fünfhunderttausend Lire an ihre Brust, hob ihre Reisetasche auf und ging in die Stadt hinein. Eine glückliche Stimmung überflutete sie, fuhr ihr bis in die Beine; es sah aus, als hüpfe, als tanze sie über den Asphalt, getrieben von einer heimlich in ihr erklingenden Melodie.
    Auf den Lire-Scheinen lag das beidseitig geschliffene lange Messer, daneben ein billiges Kästchen aus eloxiertem Blech, gefüllt mit Lippenstift, Puderdose, Augenschatten, Lidstift und drei verschiedenen, aufeinander abgestimmten Make-ups. Sie hatte das Kästchen auf dem Schiff im Shop der III. Klasse gekauft. Wenn sie Enrico gegenübertrat, wollte sie aussehen wie eine der feinen Damen, geschminkt und modern frisiert, mit roten Nägeln an Händen und Füßen und blaugrünen Schatten auf den Liddeckeln. Vor dem kleinen Spiegel in ihrer Kabine hatte sie das alles ausprobiert und sich gründlich bestaunt.
    »Ich bin so schön wie sie!« hatte sie zu sich gesagt. »Ich bin viel schöner als sie! Enrico soll sehen, wie schön ich bin!«
    Auf dem Corso Vittorio Emanuele kannte natürlich jeder das palastähnliche Bürohaus des Dr. Soriano. Anna hatte zwei Vorzimmerdamen zu überstehen, die sie mit merkwürdigen Blicken musterten, denn Klienten Don Eugenios sahen meist anders aus. Aber man kann sich da leicht irren, vor allem, wenn einer vom Lande kommt. Da gibt es Typen, die wie wandelnde Felssteine aussehen und doch halb Palermo kaufen könnten.
    Schließlich empfing ein junger Anwalt Anna, wies auf einen Lederstuhl und lächelte sie freundlich an.
    »Wie können wir Ihnen helfen?« fragte er. Auch er musterte mit unterdrücktem Erstaunen die Besucherin und schätzte, daß es sich um eine Eheschwierigkeit oder um Zahlungsunfähigkeit handelte. Bagatellsachen, die man nach geduldigem Anhören dem Bürovorsteher oder einem anderen Angestellten zur routinemäßigen Bearbeitung übergeben würde.
    »Ich bin da!« antwortete Anna ruhig. Sie hatte sich das so ausgedacht und lag damit richtig. Man war verblüfft. Gegen die Feststellung ihrer Anwesenheit gab es kaum ein Argument.
    »Das stimmt!« sagte der junge Anwalt denn auch. »Und nun?«
    »Don Eugenio ist nicht da?«
    »Nein.«
    »Ich bin aber pünktlich gekommen.«
    »Hat er Ihren Fall übernommen? Ich meine: er persönlich? Wie war Ihr Name, Signorina?«
    »Anna Talana.« Sie sah den jungen Anwalt treuherzig an. »Talana aus Sardinien.«
    »Sardinien?« Der Anwalt kam wieder einmal zu der Überzeugung, daß wichtige Fälle zunächst oft unscheinbar aussehen, was eine alte Juristenweisheit ist. »Ich lasse sofort aus der Kanzlei Ihre Akte holen …«
    Er wollte zum Telefon greifen, aber Anna winkte ab. »Es gibt keine Akte, Signore dottore.«
    »Dann muß eine angelegt werden. Natürlich. Sie sind heute angekommen?«
    »Vor einer Stunde mit dem Schiff. Pünktlich.«
    »Wer zweifelt daran! Leider ist Dr. Soriano – Sie wissen, wie sehr er politisch engagiert ist – gerade heute zu wichtigen Sitzungen weg. Wann er zurückkommt … ob er heute überhaupt noch in die Kanzlei kommt … wer weiß das?«
    »Dann kann ich zu ihm fahren.«
    »Privat?«
    »Warum nicht?«
    »Sie kennen Dr. Soriano so gut? Verzeihen Sie, Signorina, aber es ist außergewöhnlich, daß Dr. Soriano in seinem Privathaus Klienten empfängt. Es sei denn …«
    »Das ist es!« Anna schnitt dem jungen, nun doch reichlich verwirrten Anwalt das Wort ab. »Dr. Soriano erwartet mich. Ich bin das neue zweite Zimmermädchen.«
    » Was sind Sie?« fragte der Anwalt erschüttert. »Das – Zimmermädchen? Und da kommen Sie so einfach in die Kanzlei und blockieren den Verkehr? Was fällt Ihnen ein?!«
    »Wo sollte ich mich sonst melden? Mir hat bei meiner Anstellung nur ein breiter, starker Mann gesagt: Melde dich bei Dr. Soriano! – Und da bin ich nun. Ich weiß ja auch nicht, was ich tun soll!«
    »Du mußt nach Solunto!« Der Anwalt hielt es nicht mehr für nötig, ›Sie‹ zu Anna zu sagen. »Weißt du, wo Solunto ist?«
    »Nein.«
    »Auf dem Capo Zafferano.«
    »Wo ist Zafferano?«
    »Das weiß jeder Taxifahrer. Hast du Geld fürs Taxi?«
    »Ja.«
    »Na, dann los!« Der junge Anwalt winkte lässig, als wolle er eine Fliege verscheuchen. »Du hältst Leute auf, die Geld verdienen müssen …«
    Anna verließ das Bürogebäude, stieg in eine Taxe, klemmte

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