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Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mit seiner unbewegten Miene. »Dann kam der Krieg, und irgendwie wurde auch ich durch ihn entwurzelt. Aber in Rußland habe ich ein Sprichwort gelernt, das hier an diesem Platz wieder aktuell wird: ›Töte einen Vater durch seine Tochter.‹ Eine Kriegsweisheit, Sir.«
    »Ich werde sie mir ins Herz schreiben, Worthlow. Was raten Sie mir?«
    »Ruhe, Sir. Abwarten.«
    »Und operieren für eine Mafia-Klinik! Forschen für einen der teuflischsten Pläne, die je ein Menschenhirn erdacht hat. Wieso hat Dr. Soriano eigentlich keine Angst, mich seinen vielen Freunden als Dr. Monteleone vorzustellen?«
    »Weil sie alle Angst vor Don Eugenio haben.«
    »Und wenn ich bei einem Festessen die Wahrheit herausschreie?«
    »Wird man sie überhören. Man wird niemals darüber sprechen. Jeder von uns hängt verzweifelt am Leben, auch wenn er so tut, als mache es ihm nichts aus, es heldenhaft zu opfern. Es gibt keine dümmere Illusion, als sich einzureden, man habe vor dem Tod keine Angst. Das ganze Trachten der Menschheit ist es doch seit Jahrtausenden, das Leben zu verlängern. Mit Pulvern, Pillen, Säften, Spritzen, mit Diät, Hormonen und Frischzellen. Länger leben! Wenn es möglich wäre: unsterblich werden! Was bedeutet da der Aufschrei eines Mannes, der behauptet, er heiße nicht Monteleone, sondern Volkmar und sei ein Gefangener der Mafia, der Herzen transplantieren muß?! Man vergißt ihn sofort! Man hat so etwas nie gehört! Nein, Sir – uns muß da etwas anderes einfallen.«
    »Uns, Worthlow?« Sie stießen mit den Kognakgläsern an. »Sie williger Schatten seines Herren?!«
    »Ich habe mitgeholfen, Miß Loretta großzuziehen.« Worthlow trank sein Glas leer und räumte es dann auf einem Silbertablett formvollendet weg. »Sie lieben Loretta – den Menschen Loretta, nicht die Tochter Don Eugenios. Wenn ich Loretta gegenüber versteckte väterliche Gefühle empfinde, dann Sir, erlauben Sie mir, daß ich ab heute auch Sie darin einbeziehe.«
    Es war das zweite Mal an diesem Abend, daß Volkmar in sich die Kraft verspürte, alles, was noch kommen würde, durchzustehen.
    Der Sarg mit den Überresten des Hafenarbeiters Sergio Rappallo, der nun amtlich Dr. Heinz Volkmar hieß, wurde auf einem Lastwagen nach Cagliari gebracht. Der einzige Leichenwagen von Cabras war an diesem Tage besetzt mit einer verstorbenen Witwe, und das Sargauto von Oristano, der nächsten größeren Stadt, hatte einen Achsenschaden und stand in der Werkstatt. Zum Glück starb niemand in Oristano oder wartete auf sein Begräbnis.
    So mietete man ein Lastauto, das sonst Zementsäcke transportierte. Den Toten in seinem Zinksarg berührte das nicht mehr. Nur Dr. Angela Blüthgen empfand diesen Transport als entwürdigend. Sie sagte wörtlich: »Das ist eine Sauerei!«
    Der Kommissar gab ihr recht, aber zu ändern war es nicht mehr. Außerdem sehen Zementsäcke immer noch schöner aus als das, was da im Sarg lag. Doch diese Entschuldigung unterließ er aus südländischer Höflichkeit gegenüber der vom Schicksal geprüften Signora.
    Die Staatsanwaltschaft forderte unterdessen bei dem Zahnarzt Dr. Weissner in München ein Foto und eine genaue Beschreibung des Gebisses von Dr. Volkmar an. Auf dem Wege der Amtshilfe wollte das Polizeipräsidium München ein Funkbild nach Cagliari schicken. Solange blieb Sergio Rappallo in seinem Zinksarg liegen, allerdings in Sardiniens Hauptstadt würdiger aufgebahrt als in dem Nest Cabras. Man stellte den Sarg in eine Seitennische der Kirche Santa Michaela, wozu eine Sondergenehmigung der Staatsanwaltschaft nötig war, denn solange ein rätselhafter Toter noch nicht freigegeben ist, gehört er zu den ›Asservaten‹, die man unter Verschluß halten muß und die man, strenggenommen, im Gerichtsmedizinischen Institut verwahren müßte. Das aber wollte man der schönen Angela Blüthgen nach all den grausamen Erlebnissen nun doch nicht antun.
    Der Leichnam Dr. Volkmars – der Name stand auf einem kleinen Plastikschildchen am unteren Teil des Sarges – wurde flankiert von Lorbeerbäumen in grünlackierten Kübeln, rechts und links von seinem Kopf standen zwei gußeiserne Leuchter mit je sieben langen Kerzen, die der Mesner immer ansteckte, wenn Besuch erschien. Nicht nur bei Angela, sondern auch, wenn der Staatsanwalt oder die Polizei nach Santa Michaela kamen. Die Beamten fanden das sehr übertrieben, aber sie stellten ihre Bemerkungen ein, als sie erfuhren, daß Dr. Blüthgen der Kirche eine Stiftung in beträchtlicher Höhe

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