Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
einen artigen Knicks. Ihre Vermutung war gar nicht so abwegig, denn nicht nur die Einfahrt zur Villa, auch die Mauer wurde an vielen Stellen von Fernsehkameras überwacht.
    »Ich bin das neue Hausmädchen«, sagte sie und starrte auf das Metallgitter, hinter dem die Stimme hervorkam. »Ich soll mich heute hier melden.«
    Der unsichtbare Mann schien zu überlegen, oder er war einfach nur ratlos. Von der Einstellung eines neuen Mädchens hatte er nichts gehört. Andererseits war es bekannt, daß Don Eugenio Handlungen beging, die man hinnehmen mußte, ohne zu fragen. Auf jeden Fall war es nicht alltäglich, daß ein Mädchen mit Reisegepäck, dazu noch ein Mädchen vom Land, wie unschwer zu hören war, sich als neue Angestellte meldete. Es mußte also stimmen. Vielleicht wußte Worthlow darüber Bescheid – bei ihm liefen alle ›domestikischen‹ Dinge (wie er es nannte) zusammen.
    Im großen Gittertor summte es, und Anna ahnte, daß sie es nun aufdrücken und in dieses geheimnisvolle Reich eintreten konnte. Sie nahm ihre Reisetasche, sagte zu dem Gitter in der Mauer: »Danke, Signore!« und betrat die breite Auffahrt zum Hauptgebäude. Es schimmerte in der Ferne zwischen Blütenbüschen und Palmenhainen, Pinien und schlanken, dunkelgrünen Säulenzypressen.
    Als das große Tor hinter ihr zufiel, schrak sie zusammen, und eine ihr fremde Beklemmung legte sich um ihr Herz.
    Hier also lebt Enrico jetzt, dachte sie. Wie ein König! Und ich komme daher wie eine Schweinemagd. Und dort in dem Palast lebt auch der Mann, der Luigi aufgeschlitzt hat! Es ist gar nicht so sicher, daß ich hier wieder rauskomme …
    Sie bekreuzigte sich und ging die Auffahrt hinauf bis zu dem Säulenvorbau, hinter dem die Eingangshalle lag.
    Es war bezeichnend für Dr. Sorianos Lebensstil, daß niemand Anna fragte, was sie eigentlich hier wolle. Wie dem Mann, der das Tor bewachte, so erging es auch der Hausdame, der das weibliche Personal unterstand: Sie nahm an, daß Anna über die Anwaltszentrale in Palermo engagiert worden war. Es gab nur eine kurze Unterhaltung.
    »Wo kommst du her?«
    »Aus Sardinien, Signora.« Anna sagte es unterwürfig, mit gesenktem Blick.
    »Wer hat dich engagiert?«
    »Ein Mann. Wie er heißt, weiß ich nicht. Er sagte, Don Eugenio suche ein tüchtiges Mädchen.«
    »In Sardinien?«
    »Ich habe mich auch gewundert, Signora. Aber er gab mir das Fahrgeld, die Adresse und den genauen Antrittstermin. Heute sollte ich anfangen. Und hier bin ich.«
    Das genügte. Erstens der Name Don Eugenio. Wenn der Mann den genannt hatte und nicht Dr. Soriano, dann war das eine Art Legitimation. Dann Fahrgeld, Adresse, Datum … Worthlow wußte bestimmt mehr.
    Man zeigte Anna ihre Kammer, die ihr wie ein Palastzimmer vorkam im Vergleich zu ihrem Felsenhaus in den Bergen von Gennargentu. Nur das Löwengebrüll störte sie. Das Gesindehaus lag mit einer Mauer zum Löwenhof hin, und wenn es auch nach dort hinaus keine Fenster gab, das Brüllen hörte man auch durch die Wand.
    Sie bekam ihre Dienstkleidung, eine Art Uniform mit kurzem, plissiertem Rock und blauer Bluse. Der Rock war schneeweiß. Dergleichen hatte Anna bisher immer für ein Festkleid gehalten, nicht für eine Arbeitstracht.
    »Du wirst zunächst als Dritte Zofe bei der Signorina eingesetzt«, sagte die Hausdame, nachdem Anna gebadet und sich eingekleidet hatte. Sie sah adrett aus. Ihre vollen Brüste spannten die Bluse, ihre braunen, schlanken Beine und das runde, pralle Gesäß unter dem kurzen Plisseerock bewiesen, daß auch in den wilden Bergen Sardiniens besonders schöne Blumen gedeihen können.
    Die Hausdame hielt es deshalb für nötig, sie zu belehren:
    »Das ist ein sittenstrenges Haus, Anna!« sagte sie. »Ein frommes Haus, in das sogar der Bischof zum Essen kommt. Du bist hübsch! Aber wenn du hier herumhurst, fliegst du sofort!«
    »Bestimmt nicht, Signora …«, sagte Anna verschämt. Sie spielte sehr gut.
    »Melde mir sofort, wenn einer der Burschen dich anfaßt!«
    »Sofort, Signora.«
    »Hast du einen Geliebten?«
    »Ich bin noch jungfräulich, Signora.«
    Die Hausdame nickte und gab keinen Kommentar dazu. So etwas ist anscheinend nur noch in sardischen Bergen möglich, dachte sie. Eine echte Jungfrau, in diesem Haus! Es war ein guter Gedanke gewesen, sie als Dritte Zofe für Signorina Loretta einzusetzen. Dort war sie sicher.
    Am Abend traf Worthlow mit Anna zusammen. Er beachtete sie gar nicht. Zwar stellte er fest, daß dieses Mädchen neu im Hause war, aber

Weitere Kostenlose Bücher