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Das Haus des Buecherdiebs

Titel: Das Haus des Buecherdiebs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Pechmann
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und Bibliothekaren für seine unstillbare Gier berüchtigt war. Er interessierte sich nur für Illustrationen – das Buch als Ganzes, auch wenn es sich um ein noch so prachtvolles und seltenes Exemplar handelte, besaß für ihn keinen Wert und wurde gnadenlos gerupft und geplündert.
    Natürlich gab es auch vor Reverend Granger Grangeriten, und bedauerlicherweise war und ist die nach dem |97| englischen Pastor benannte Krankheit überall virulent. Ein besonders abstoßendes Beispiel ist John Bagford, der ein gewöhnlicher Schuster war, bevor er ein Antiquariat in Oxford eröffnete und allerlei wohlhabende Bücherfreunde mit bibliophilen Schätzen versorgte. Nebenbei frönte er seinem eigentlichen Hobby, dem Sammeln von Titelblättern. Er wollte eines Tages eine umfassende »Geschichte des Buchdrucks« schreiben, die mit den schönsten Exponaten seiner Sammlung illustriert werden sollte. Natürlich hatte er bis zu seinem Tod im Jahr 1816 nicht einmal die erste Seite seines Manuskriptheftes beschrieben, aber er war durch sämtliche Bibliotheken, Buchhandlungen und Antiquariate Englands und Hollands gezogen und hatte rund 25 000 Bücher, darunter auch eine unersetzliche Gutenberg-Bibel, grausam und sinnlos verstümmelt. Seine Sammlung umfasste schließlich 42 Bände, gefüllt mit wundervollen Titelblättern, die für alle außer Bagford vollkommen nutzlos waren. Man sagt, er sei aus Kummer gestorben, weil es ihm nicht möglich war, ein Titelblatt von William Caxton, dem ersten Drucker Englands, zu erbeuten, nach dem er sein ganzes Leben gesucht hatte.
    Gibt es eine gerechte Strafe für das Zerstören von Büchern? Genügt es, die Frevler lebenslänglich aus Bibliotheken und Buchhandlungen zu verbannen? Gibt es zumindest eine Methode, hemmungslose Büchernarren zur Vernunft zu bringen? Charles Asselineau machte sich zu dieser letzten Frage einige Gedanken und beschrieb sie 1860 in einer kleinen Erzählung, »Die Hölle des Bibliomanen«. Es handelt sich um eine komische |98| Variante von Dantes Inferno, in der allerdings eher konventionelle Varianten der Bibliophilie gesühnt werden.
    Der Held der Geschichte wird von einem Dämon entführt und zu den Trödlern an den Kais der Seine gebracht – in den ersten Kreis der Hölle. Hier muss er all die völlig wertlosen, verstaubten und langweiligen Ladenhüter aufkaufen, die der bibliophile Feinschmecker sonst nie im Leben angerührt hätte. Im zweiten Kreis der Hölle muss er den Ramsch, den er zu überhöhten Preisen erstanden hat, zum teuersten Buchbinder von Paris tragen. Das Binden des Plunders in kostbarstes Leder erweist sich als ruinöses Unternehmen und führt in den dritten Höllenkreis, zur Buchauktion. Unter dem Einfluss des Dämons verliert der arme Sünder nun auch den Rest seines Vermögens beim Ersteigern unbedeutender Werke, so dass er schließlich seine eigene wundervolle Sammlung zum Spottpreis verkaufen muss, um seine Schulden bezahlen zu können. Am Ende der Geschichte erwacht der Bibliomane und stellt erleichtert fest, dass alles nur ein böser Traum war.
    Das phantastische Abenteuer sollte nur als kleine Mahnung für all jene dienen, die bedenklichen, aber letztlich doch harmlosen Leidenschaften anhängen. Die rücksichtslosen Grangeriten und Biblioklasten, die sich in ihrem Wahn an den schönsten Druckwerken vergreifen, sind jedoch in Dantes Fegefeuer besser aufgehoben. Dort sollen sie ohne Hoffnung auf Erlösung schmoren.

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    |99| Aus allen Nähten
    Ich hätte nie gedacht, daß so viele Bücher in der Welt wären.

    Friedrich Nicolai
    Manchmal denkt selbst der besessenste Bibliomane mit bitterer Miene daran, einige seiner weniger bedeutenden Schätze, vielleicht ein oder zwei nicht sonderlich gut erhaltene Dubletten wegzugeben, um Neuzugänge unterbringen zu können. Denn die Ordnung privater Bibliotheken wird in der Regel von einem stetig wachsenden Problem bedroht: dem Mangel an Platz. Arme Büchernarren, die karge Einzimmerwohnungen behausen, sind hoffnungslos verloren und müssen früher oder später unter der Brücke nächtigen. Doch selbst ein betuchter Sammler wie Antoine-Marie-Henri Boulard, Bürgermeister des 10. Pariser Arrondissements, stieß rasch an die Grenzen seiner Möglichkeiten. Nachdem er sich 1808 von seinem Amt zurückgezogen hatte, widmete er sich ausschließlich seiner einzigen, dafür aber umso maßloseren Passion, dem Bücherkauf. Täglich besuchte er die Trödler und Bouquinisten am Seine-Ufer und erwarb die dort

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