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Das Haus des Buecherdiebs

Titel: Das Haus des Buecherdiebs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Pechmann
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Bibliomanie hervorbringen kann, wie er womöglich andere Symptome dieser Sucht zu heilen vermag. Thomas Frognall Dibdin meinte nicht zu Unrecht, dass es sowieso keine Heilmittel gegen Bibliomanie gebe, sondern nur einige Kuren, die zumindest ansatzweise helfen könnten, die schlimmsten Auswüchse des Bücherwahns einzudämmen. Unter seinen Heilmethoden erscheinen einige durchaus sinnvoll: Man solle lernen, den hochwertigen Inhalt eines Buches mehr zu schätzen als sein prächtiges Äußeres, und man solle der verbreiteten Sucht nach seltenen Büchern Einhalt gebieten, indem man Neuausgaben druckt und veröffentlicht. Ob allerdings das Studium des kunstvollen Bibliographierens einen fanatischen Bibliomanen zu kurieren vermag, wie Dibdin meint, scheint fraglich – schließlich war er selbst, |157| ebenso wie der bereits erwähnte Sir Thomas Phillipps, ein kundiger Bibliograph und dennoch, oder gerade deshalb, von der Wiege bis zur Bahre ein unverbesserlicher Büchernarr. Sein Vorschlag, man solle öffentliche Einrichtungen zur Förderung der Bücherliebe gründen, weist hingegen in die richtige Richtung. Denn das Schönste an Büchern ist nicht, dass man sie besitzen, sondern dass man sie lesen und an andere weitergeben kann.

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    |158| Die Odyssee der Manuskripte
    Das, was die Lebenden von den Toten trennt, unterscheidet die Gebildeten von den Ungebildeten.

    Aristoteles
    Sokrates hielt das menschliche Gedächtnis für wichtiger als das geschriebene Buch. Zwar studierte er, laut Platon, eifrig die philosophischen und wissenschaftlichen Werke seiner Zeit, doch kritisierte er auch die jungen reichen Athener, die die Werke großer Denker allein deshalb kauften, um damit zu prahlen und die Autographensammlungen ihrer Freunde an Vollständigkeit und Erlesenheit zu übertreffen. Einer dieser wohlhabenden Bücherfreunde einer späteren Generation war Apellikon von Teos. Dieser fühlte sich dem Peripatos, der Schule des Aristoteles, zugehörig, war aber zugleich ein unersättlicher Anhänger der Bibliomanie. Seine Sammelwut kannte keine Grenzen. So musste er Athen vorübergehend verlassen, weil er aus unbeherrschter Leidenschaft für alte Dekrete Originaldokumente aus dem Staatsarchiv gestohlen hatte. Über sein sonstiges Leben ist wenig bekannt. 89/88 v. Chr. war er Münzmeister, später versuchte er sein Glück als Feldherr. Er schloss sich dem Tyrannen Athenion an und leitete in dessen Auftrag einen Raubzug nach Delos. Da er auch kein überragender Stratege war, endete die verwegene Expedition |159| in einem Debakel. Seine Soldaten wurden von den römischen Truppen des Obius vernichtend geschlagen, und ihr bibliophiler Kommandant konnte nur mit knapper Not entkommen. Kurz darauf scheint er gestorben zu sein.
    Da Apellikon weder militärische noch wissenschaftliche oder künstlerische Großtaten vorweisen konnte, wäre er wohl aus den Fußnoten der Geschichtsschreibung völlig verschwunden, wenn es nicht merkwürdige Gerüchte gegeben hätte, die sich um seine Büchersammlung rankten. Diese sei nicht nur eine wahre Schatzkammer voll seltener Manuskripte gewesen, sondern habe zudem den Nachlass des großen Aristoteles, die gesamte Bibliothek des Peripatos, enthalten. Wie konnte ein reicher, aber nicht übermäßig gelehrter Bücherfreund an solch ein gewaltiges und bedeutendes Erbe gelangen? Die Überlieferung ist nicht ganz zuverlässig und die Informationen widersprüchlich, doch finden sich bei den antiken Historikern Strabon und Plutarch Berichte, die den Weg der wertvollen Manuskripte anschaulich darstellen.
    Aristoteles war laut Strabon der erste Mann, der eine Privatbibliothek anlegte. Über ihre Größe und ihren Umfang ist nichts bekannt, doch muss sie neben eigenen Werken, Vorlesungstexten und persönlichen Aufzeichnungen auch die wichtigste Literatur der Zeit umfasst haben. Zweifellos war sie ein unverzichtbarer Bestandteil des Peripatos, wurde auch von den Schülern eifrig genutzt und schließlich Theophrast, dem Nachfolger und engsten Vertrauten des Aristoteles, vermacht. |160| Im Testament des Philosophen, das uns von Diogenes Laertios überliefert ist, werden die Bücher nicht ausdrücklich erwähnt, doch gilt als sicher, dass sie in den Besitz des neuen Schulleiters übergingen. Theophrast ernannte keinen direkten Nachfolger, die Schule des Peripatos und den zugehörigen Garten vererbte er an seine zehn Freunde und Schüler, die dort zusammen studieren und philosophieren sollten; unter der Bedingung

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