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Das Haus des Daedalus

Titel: Das Haus des Daedalus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Gegners.
    Cassinellis Gesicht explodierte.
    Ein Schwall von Blut, Haut und Knochensplittern ergoß sich über Jupiter, und plötzlich konnte er nur noch schreien und schreien und .
    Der Körper des Riesen fiel zur Seite, knapp an Jupiter vorbei. Jemand stand hinter ihm, die kleine Pistole in der Hand, deren letzte Kugel Cassinellis Hinterkopf durchschlagen hatte.
    Langes, dunkles Haar.
    »Miwa …?« stammelte Jupiter, aber dann fiel sein Blick auf Miwas Leiche.
    Coralina sprang auf ihn zu, preßte sein blutverschmiertes Gesicht erleichtert an ihren Oberkörper, flüsterte, redete auf ihn ein, aber er verstand nur Wortfetzen.
    Hörte, wie sie sagte, daß sie sich beeilen müßten und daß sie alles später erklären könne.
    Hörte sie von einem Wagen sprechen, der unten bereitstände.
    Hörte sie sagen, daß sie ihn liebte.
    Dann stützte sie ihn auf dem Weg die Treppe hinunter, hinaus an die Luft, die ihm jetzt nicht mehr rein und klar erschien, sondern geschwängert vom Leichengestank, der ihnen folgte wie ein Schwarm fetter, dunkler Vögel.

KAPITEL 12

Auferstehung
    Die beiden Posten am Tor brachten sich mit waghalsigen Sprüngen in Sicherheit, als Coralina das Gas bis zum Anschlag durchtrat und hindurchraste. Etwas krachte, ein Warnschuß, aber dann war der Lieferwagen schon vorüber, fegte hinaus auf die Viale Vaticano, schlitterte, als Coralina das Steuer scharf herumriß und nach links auf die stark befahrene Via di Porta Cavalleggeri ausbrach. Zwei Fahrzeuge wichen mit quietschenden Reifen aus, Coralina ignorierte sie, stabilisierte den Wagen mit einem waghalsigen Manöver in der Fahrspur und jagte in Richtung Civitavecchia.
    »Das … hätten wir schon früher … versuchen sollen«, preßte Jupiter hervor, aber er bezweifelte, daß Coralina ihn hörte. Schweiß perlte auf ihrer Stirn, ihre Unterlippe zitterte. Wahrscheinlich hatte sie selbst noch nicht ganz verarbeitet, was sie gerade getan hatte.
    Jupiter lag mehr auf dem Beifahrersitz, als daß er saß. Alles um ihn herum schien zu schwanken und zu rotieren. Er mußte sich übergeben, hatte aber seine Sinne noch soweit beieinander, um den Würgereiz niederzukämpfen; der ganze Wagen stank nach Cassinellis Blut, nach Schweiß und Tod. Jupiters Kleidung war feucht und klebte ranzig an seinem Körper.
    »Halt irgendwo an«, keuchte er tonlos. »Egal … irgendwo. Ich muß die Klamotten loswerden.«
    Coralina nickte. Sie sah aus, als stünde sie unter Schock. Ihre Finger umklammerten das Lenkrad, als wollten sie es aus der Verankerung reißen. Sie brachte noch immer keinen Ton heraus. Nach dem erleichterten Wortschwall im Turm hatte jetzt die Erkenntnis eingesetzt, daß sie einen Menschen erschossen und vermutlich ein Dutzend weitere gefährdet hatte, als sie durch die Postenkette am südlichen Seitentor des Vatikans gebrochen war.
    Lange Zeit fuhren sie ohne ein Wort, ehe die Häuser zu beiden Seiten der Ausfahrtstraße einem breiten Streifen Ödland Platz machten. Hier bog Coralina nach rechts in einen schmalen Weg, der sie schließlich zu etwas führte, das aussah wie eine vergessene Baugrube. Die Kuhle im Boden war mit brackigem Wasser gefüllt, aber Jupiter beschwerte sich nicht. Es war das Beste, was sie in ihrer Situation und seinem Zustand finden würden. Er zog seine Kleider aus, schleuderte das Knäuel in ein Brennesseldickicht und stapfte bis zum Hals in die braune Suppe. Wieder und wieder tauchte er unter, rubbelte wie ein Wahnsinniger, bis auch der letzte Rest Cassinellis von ihm abgespült war.
    Er hatte das Gefühl, auch die Erinnerung an Miwas Tod fortwaschen zu müssen. Immer wieder sah er ihren Leichnam vor sich, ihren verdrehten Hals, die offenstehenden Augen. Sie hatte Geschäfte mit den Adepten gemacht, sicher, aber sie hatte ihn nicht an den Geheimbund verraten. Er hatte sich in ihr getäuscht und sogar verhindert, daß sie ein weiteres Mal auf Cassinelli schoß. Er gab sich die Schuld an ihrem Tod.
    Als er nackt und frierend zum Auto wankte, erwartete Coralina ihn mit einer grauen Wolldecke, in die sonst Bücher zum Transport eingeschlagen wurden. Sie legte ihm die Decke um die Schultern, half ihm, sich trocken zu reiben, und schob ihn dann wie ein Kind auf den Beifahrersitz. Sie selbst sank erschöpft hinters Steuer, machte aber keine Anstalten, den Motor zu starten. Sie wollte reden, aber er war nicht sicher, ob er dazu schon in der Lage war … ob er überhaupt reden wollte.
    Er hatte das Gefühl, etwas Nettes sagen zu müssen, ein

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