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Das Haus des Daedalus

Titel: Das Haus des Daedalus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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taumelte.
    Miwa war unter dem sterbenden Gärtner gefangen, und sie mochte noch so wütend um sich schlagen und am blutgetränkten Hemd des Mannes zerren … sie kam nicht frei.
    Jupiters Sinne spielten verrückt, ließen ihn die Umgebung in anderen Farben sehen, suggerierten ihm Geräusche, die nicht da waren. Alles drehte sich, alles schwankte. Er sah Miwa und sah sie auch nicht. Sah das Blut, das aus Cassinellis Wunde floß. Hörte das Röcheln des Mannes.
    Cassinelli braucht Hilfe.
    Der Gedanke, eigentlich selbstverständlich, erschien Jupiter wie eine Offenbarung. Er fragte sich, ob er kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand.
    Miwa machte Mundbewegungen wie ein verendender Fisch. »Jupiter … Hilf mir …«
    Er wollte sich vorwärtsschleppen, wieder auf die beiden zu, wollte Cassinellis Wunden untersuchen, vielleicht versuchen, sie zu verbinden (mit was?) - als der Gärtner plötzlich einen markerschütternden Schrei ausstieß, sich aufbäumte, Miwas Kopf mit beiden Händen packte und ihn mit einem berstenden Knirschen herumriß.
    Miwas Genick brach. Ihre Bewegungen erlahmten.
    Ihr Blick: ein Gefäß, aus dem das Leben floß wie Wasser.
    »Nein!« Jupiters Schrei ließ Cassinelli hochschauen. Schwankend richtete sich der Gärtner über Miwas Leiche auf, träge wie ein Monster aus einem Horrorfilm, unfähig zu sterben, egal wie viele Kugeln man ihm verpaßt oder mit wieviel Pflöcken man es spickt.
    Jupiter schlug die Hände vors Gesicht, ließ sie wieder sinken … und starrte Cassinelli an.
    »Sie haben … sie getötet …«
    Cassinelli nickte, eine kurze, ruckartige Regung, als bewege ein Puppenspieler seinen Kopf.
    Ein Fehler! Alles falsch! Alles ist ganz anders, als ich dachte!
    Cassinellis Lippen bebten. »Sie werden … gleich … hier sein …«
    Jupiter wollte an ihm vorbei, wollte Miwa festhalten, sie hochzerren. Wollte sie anschreien, gefälligst weiterzuleben. Wollte irgend etwas tun.
    Aber Cassinelli vertrat ihm den Weg.
    »Tot«, sagte er leise. Eine Blutblase platzte zwischen seinen Lippen. »Keine … Hilfe … mehr.« Er schluckte. »Miststück!«
    Ein Fehler!
    »Nein«, flüsterte Jupiter.
    Alles … irgendwie … falsch!
    »Großer Gott … nein!«
    Cassinelli lächelte, aber seine Augen flimmerten wie Kerzen in einem Windfang.
    »Miwa gehörte nicht zu denen«, stammelte Jupiter. »Sie sind der Verräter!«
    Cassinelli machte einen schwerfälligen Schritt auf ihn zu. »Die letzte Scherbe … entschlüsselt … Gebeine, bei den Gebeinen … jetzt nur noch den Schlüssel …« Er war nicht mehr Herr seiner selbst, aber er starb langsam, schleppend wie seine Schritte, und er sprach dabei aus, was ihm in den Sinn kam. »Muß … den Schlüssel … haben …«
    »Im Reservoir«, keuchte Jupiter, »das waren Sie, der uns verraten hat. Deshalb sind Landini und die anderen dort aufgetaucht! Sie haben Janus auf dem Gewissen!«
    Cassinelli spuckte eine Blutfontäne aus, die vor Jupiter auf den Boden klatschte. Drei Schritte trennten sie noch voneinander.
    »Bei den … Gebeinen …«, kam es blubbernd über die Lippen des Gärtners. »Der Schlüssel …« Er streckte beide Hände aus wie ein lebender Toter, wankte vorwärts, auf Jupiter zu.
    Jupiters Blick raste über den Boden. Die Pistole lag unter dem Fenster. Er wollte darauf zuspringen, überschätzte aber erneut seine Kraft, schwankte, stürzte und kam unglücklich mit dem linken Knie auf. Plötzlich hatte er das Gefühl, auf einer Seite gelähmt zu sein.
    Cassinellis Pranken schnappten über seinem Kopf zusammen, verfehlten ihn um Haaresbreite.
    Jupiter robbte vorwärts, bekam mit ausgestrecktem Arm die Pistole zu fassen, rollte sich herum, legte an … und drohte zu ersticken, als Cassinellis Stiefel sich in seine Seite bohrte. Abermals flog die Pistole davon, an dem Gärtner vorbei Richtung Treppenhaus. Ihr Scheppern und Scharren auf dem Dielenboden klang wie schadenfrohes Flüstern.
    Cassinelli beugte sich vor, halb blind, halb tot. Blut tropfte auf Jupiter, als er versuchte, den Händen des Sterbenden auszuweichen.
    »Verraten … wo Schlüssel ist …«
    Cassinelli stand breitbeinig über Jupiter, seine Füße fest im Boden verankert, wie einbetoniert. Nach rechts und links gab es kein Entkommen, Jupiter klemmte zwischen den Beinen des Mannes fest. Wieder fuhren die Hände herab, und diesmal bekamen sie Jupiters Schultern zu fassen, seinen Schädel.
    Jupiter schaute auf, geblendet von Schmerz und Todesangst, sah in die Augen seines

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