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Das Haus des Daedalus

Titel: Das Haus des Daedalus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Petersplatzes dominierte das Treiben der Menschen wie vor Jahrhunderten. Caligula hatte ihn einst nach Rom bringen lassen, als Schmuckstück für seinen Circus am Fuß des vatikanischen Hügels. In der Metallkugel auf der Spitze des Obelisken wurde, so die Legende, das Herz Julius Cäsars aufbewahrt, vielfach durchstochen von den Klingen der Verräter. Ein heidnisches Herz im Zentrum des Katholizismus. Man hatte ein Kreuz auf die Kugel gesetzt, das vorerst letzte Wort im uralten Kampf der Religionen.
    Estacado erwartete sie am Fuß des Obelisken. In seinem weißen Sommeranzug und mit dem altmodischen Spazierstock sah er ein wenig aus wie ein Dandy des neunzehnten Jahrhunderts. Das kühle Wetter schien ihm nichts auszumachen. Er war allein, so wie es abgesprochen war.
    »Ich möchte Ihnen alles Gute wünschen«, sagte er, als die beiden ihn erreichten. Jupiter verlagerte sein Gewicht auf das gesunde Bein. Die Ärzte im Krankenhaus hatten ihm erklärt, daß er noch ein paar Wochen auf die Krücke angewiesen sein würde. Der Durchschuß war nur eine Fleischwunde, er hatte Glück gehabt.
    »Und ich möchte Ihnen danken«, fuhr Estacado fort. »Ich hoffe, das klingt nicht allzu zynisch.«
    »Wofür?« fragte Coralina kühl. »Daß wir Ihnen verraten haben, wo sich der zweite Zugang befindet?«
    »Vor allem dafür, daß ich Ihnen trauen kann. Von Thaden und ein paar andere Adepten sind nach wie vor nicht glücklich darüber, daß ich Sie laufenlasse. Zumal noch immer niemand weiß, wo sich die Platte befindet.« Er musterte die beiden eindringlich. »Aber wir haben den zweiten Eingang, und das ist die Hauptsache. Gemeinsam mit den Kapuzinern werden wir dafür sorgen, daß er für immer verschlossen bleibt.«
    »Und Trojan?«
    »Wenn es stimmt, was Sie erzählt haben, müssen wir uns um ihn keine Sorgen machen.«
    »Er hat Sie unterstützt. Sie müssen ihn gut gekannt haben.«
    Estacado schwieg einen Augenblick, dann schüttelte er langsam den Kopf. »Nicht so gut, wie ich geglaubt habe. Keiner von uns wußte, was er vorhatte.«
    Jupiter und Coralina wechselten einen kurzen Blick.
    »Ob Sie uns die Wahrheit sagen oder nicht, ist unwichtig geworden, nicht wahr?« Jupiter schaute am Obelisken vorbei zum Ausgang des Platzes. Dort wartete ihr Taxi. »Weshalb wollten Sie uns treffen? Nur um uns zu danken?«
    »Um Sie zu warnen. Vor von Thaden. Landinis Tod hat ihm nicht gefallen.«
    »Landini hat ihn hintergangen. In Wahrheit hat er die ganze Zeit für Trojan gearbeitet.«
    »Der Kardinal ist wütend«, sagte Estacado. »Auf Landini, auf sich selbst … und vor allem auf Sie. Ich kann verhindern, daß er Sie verfolgen läßt. Aber Sie sollten nicht nach Rom zurückkehren.«
    Jupiter schaute ein letztes Mal über den Platz. »Machen Sie sich um uns keine Sorgen.«
    Der Spanier griff in seine Anzugtasche und zog einen prallen Umschlag hervor. »Der ist für Sie.«
    Coralina nahm ihn entgegen. Sie schaute hinein und verzog mißbilligend das Gesicht. »Geld?«
    »Sie werden es brauchen. An Ihrer Stelle würde ich in den nächsten Monaten darauf verzichten, eine Kreditkarte zu benutzen. Sie wollen sicher Tickets kaufen, neue Kleidung.« Er deutete auf Jupiters Hosenbein, ausgebeult von den Bandagen. »Ich habe mir erlaubt, die Arztrechnung zu begleichen.«
    Coralina zögerte kurz, dann steckte sie den Umschlag ein, ohne Estacado zu danken. »Bilden Sie sich nicht ein, Sie hätten damit unser Schweigen erkauft.«
    »Ich habe kein Interesse daran, Sie zu beleidigen«, antwortete der Spanier. »Ich vertraue auf Ihre Vernunft. Sie werden Ihr Versprechen halten.« Einen Augenblick lang sah es so aus, als wollte er ihnen zum Abschied die Hand reichen. Dann aber bemerkte er das feindselige Funkeln in Coralinas Blick und ließ es bleiben.
    »Viel Glück«, sagte er knapp und ging davon, folgte dem Schatten des Obelisken wie einem ausgestreckten Zeigefinger, hinüber zum Tor der Kathedrale.
    Das Gefühl, daß es vorbei war. Endlich.
    Der Schritt über die Ziellinie, der Blick zurück, das erste freie Durchatmen.
    Und vor ihnen … ein Grab.
    Jupiter und Coralina standen unter einer Buche und blickten auf den frisch aufgeworfenen Erdhügel. Es gab noch keinen Grabstein, nur ein Holzkreuz mit einer unscheinbaren Inschrift.
    Miwaka Akada.
    Coralina tastete nach Jupiters Hand. Seine Finger schlossen sich fest um die ihren. Sie hatten kein Wort gesprochen, seit sie den Friedhof betreten hatten, ein Schweigen, das doppelt heilsam war, weil sie

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