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Das Haus des Daedalus

Titel: Das Haus des Daedalus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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es noch solche Gassen, gerade breit genug für ein schmales Packpferd oder einen schweren Menschen, aber denkbar ungeeignet für die Anforderungen der modernen Welt. Als diese Häuser errichtet, diese Gassen vermessen worden waren, hatte noch niemand daran gedacht, daß dereinst Fahrzeuge mit Benzinmotor die Straßen verstopfen und ihre Abgase die Fassaden grau färben würden.
    Jupiter bezahlte den Fahrer und stieg aus. Der Mann im Wagen hinter ihnen machte eine obszöne Geste und fluchte lautstark. Beide Autos setzten sich in Bewegung.
    Jupiter blieb allein zurück. Die Straße war menschenleer, lediglich einige Wagen parkten an den Bordsteinkanten. Auf der anderen Straßenseite stand eine schwarze Limousine mit abgedunkelten Scheiben.
    Nachdem Jupiter die Bar verlassen hatte, war er in einen der benachbarten Neppläden für Touristen gegangen. Fotoentwicklung über Nacht! Anmeldung für Stadtrundfahrten! Theatertickets! Er hatte sich eine kleine Kamera gekauft, ein überteuertes No-Name-Gerät, von dem er hoffte, daß es seinen Anforderungen genügen würde.
    Nun zog er den Apparat aus seiner Manteltasche, vergewisserte sich mit einem raschen Blick, daß er funktionsbereit war, und ging mit langsamen Schritten zu der Limousine hinüber. Dabei hielt er die Kamera so, daß sie vom Wagen aus nicht zu sehen war.
    Er stellte sich einen halben Schritt hinter die Fahrertür, damit man sie ihm beim Öffnen nicht vor die Brust schlagen konnte, und klopfte zaghaft mit dem Fingerknöchel gegen das undurchsichtige Glas.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte er und gab sich betont unverfänglich. Als niemand antwortete, klopfte er noch einmal. »Entschuldigung«, wiederholte er. »Signore? Signora?«
    Er erhielt keine Antwort.
    Jupiter atmete insgeheim auf, obwohl er keineswegs überzeugt war, daß nicht doch jemand in dem Fahrzeug saß. Sicher war er lediglich in einem Punkt: Dies war nicht die Limousine des Kardinals, auch wenn er schon bei seiner Ankunft bemerkt hatte, daß der schwarze Wagen ein vatikanisches Nummernschild trug. Es mochte sich um einen Zufall handeln, gewiß, aber aus Erfahrung wußte er, daß es ein Fehler wäre, sich auf das Offensichtliche zu verlassen.
    Er klopfte ein drittes und letztes Mal … vergeblich -, dann umrundete er die Limousine und versuchte, einen Blick ins Innere zu erhaschen.
    Bewegte sich da nicht jemand auf der Rückbank? Jupiter beugte sich so weit vor, bis nur noch eine Handbreit sein Gesicht von der Scheibe der rechten Hintertür trennte. Er war sich bewußt, wie absurd er von innen wirken mußte, doch das war ihm im Augenblick gleichgültig. Auch war ihm klar, daß er seine eigenen Regeln mißachtete … wenn jetzt jemand die Tür schwungvoll öffnete, würde er Jupiter das Nasenbein zertrümmern.
    Aber, verflucht, er war sicher, daß jemand im Wagen saß. Es konnte kein Zufall sein, daß diese Limousine ausgerechnet hier parkte, nur wenige Schritte von der schmalen Gasse entfernt, die zu Cristoforos Unterschlupf führte. Er hätte zum Haus laufen können, doch der Gedanke, dort auf einen oder mehrere Unbekannte zu treffen, behagte ihm nicht. Auf der Straße fühlte er sich sicherer, und wenn es zu einer Konfrontation kommen sollte, welcher Art auch immer, dann sollte dies hier geschehen, wo er die Möglichkeit zur Flucht hatte.
    Das schwarze Glas sah aus wie geronnenes Öl, eine spiegelglatte Oberfläche, die Jupiters Gesicht reflektierte und verzerrte, es in die Länge zog wie die Züge eines gotischen Wasserspeiers.
    Er hob den Finger, um abermals anzuklopfen, diesmal an der Hintertür, doch gleich darauf ließ er die Hand wieder sinken. Falls jemand im Wagen war, würde sich derjenige ohnehin nicht zu erkennen geben.
    Jupiter richtete den Fotoapparat auf die Scheibe und drückte ab. Durch den Sucher sah er nichts als blendendes Weiß, als sich das Blitzlicht auf dem schwarzen Glas brach. Er wußte, daß kaum Hoffnung bestand, auf einem Abzug etwas zu erkennen, doch er wollte zumindest alles versucht haben. Nach Coralinas Auftritt vor Piranesis Kirche wußten Landini und seine vatikanischen Brüder längst, daß irgend etwas mit ihr nicht stimmte, und ihr Argwohn schloß Jupiter fraglos mit ein. Sich jetzt auffällig zu verhalten machte keinen großen Unterschied mehr.
    Er schoß ein halbes Dutzend weitere Fotos, ehe er einer Bewegung auf der anderen Straßenseite gewahr wurde. Er ging hinter dem Kotflügel der Limousine in Deckung und schaute vorsichtig über den Kofferraum

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