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Das Haus des Daedalus

Titel: Das Haus des Daedalus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sagte Jupiter, nahm die Papierserviette und verzog beim Lesen der Zahl keine Miene. »Das ist zuwenig, und das weißt du.«
    Coralina sah ihn groß an. »Zu …« Aber sie verstummte gleich wieder und schaute nervös auf Babios Tasse.
    »Nicht zuwenig«, widersprach der Zwerg. »Soviel ist euer Leben wert. Ich kaufe euch die Scherbe ab, gebe sie weiter, und niemandem passiert etwas. Das ist ein netter Bonus.«
    Jupiter blieb ungerührt. »Mich interessiert vor allem der Bonus, der für dich dabei rausspringt, lieber Freund.«
    »Du verstehst noch immer nicht, Jupiter.« Babios Blick wurde so eindringlich, daß Jupiters eisige Maske einen Moment lang zu bröckeln drohte. »Wir sind beide in keiner Verhandlungsposition. Du feilschst hier nicht um Geld, sondern um euer Leben.«
    Er schaute rasch über den weiten Platz, auf Touristen und Hausfrauen und fliegende Händler. »Sie beobachten uns. Jetzt, in diesem Augenblick. Und wenn ich ohne die Scherbe an diesem Tisch zurückbleibe, wird ihnen das nicht gefallen.« Seine Stimme gewann abrupt an Schärfe. »War das klar genug für dich, lieber Freund?«
    Coralina sah Jupiter besorgt von der Seite an und wartete offenbar darauf, daß er das Angebot annahm. Er aber war noch immer nicht überzeugt, daß Babio die Wahrheit sagte. Er kannte den Zwerg gut genug, um zu wissen, daß er häufig und gern mit gezinkten Karten spielte. Das ganze Gerede mochte ein Trick sein, um ihnen die Scherbe abzuschwatzen.
    »Zeig sie mir, Babio«, verlangte er. »Wo sind die Leute, die uns beobachten?« Er schaute sich um, doch das einzige, was ihm auffiel, war eine Handvoll Kinder, die den fetten Tauben vor dem Pantheon nachjagten.
    Der kleine Kunsthändler sank in sich zusammen, als ihm klar wurde, daß Jupiter ihm keinen Glauben schenkte. »Überall und nirgends«, sagte er nur.
    »Okay.« Jupiter stand auf und gab Coralina einen Wink, es ihm gleichzutun. »Das reicht. Wenn du ein besseres Angebot hast, weißt du, wo du uns finden kannst.«
    Coralina war sitzen geblieben und maß ihn mit einem ungläubigen Blick. Mit einem raschen Kopfschütteln gab er ihr zu verstehen, ihm jetzt ja nicht in den Rücken zu fallen. Widerstrebend erhob sie sich.
    »Sie wissen, wo sie euch finden können«, murmelte Babio. Noch einmal hob er die Stimme. »Sie haben keine Angst, Jupiter, weil es nichts gibt, das ihnen Angst einjagen könnte. Sie treffen Entscheidungen über Leben und Tod wie du über dein Mittagessen. Sie werden dich kriegen. Euch beide. Warum glaubst du mir nicht, daß ich nur euer Bestes will?«
    »Weil ich dich kenne, Babio. Und weil ich dich genau aus diesem Grund mag. Du bist ein Profi, und du bist raffiniert. Du würdest dir solch eine Geschichte einfallen lassen, um an die Scherbe zu kommen, nicht wahr?«
    Babio nickte. »Ja, vielleicht würde ich das. Vielleicht habe ich es sogar schon getan, früher und bei anderen. Aber nicht bei dir.«
    »Ich bin zutiefst gerührt.« Jupiter schob den Stuhl unter den Tisch und zeigte zum nördlichen Ausgang des Platzes. »Kennst du dort drüben die kleine Trattoria, gleich in der ersten Straße links? Coralina und ich werden dort jetzt etwas essen. Wenn du es dir überlegt hast, kannst du uns in den nächsten, sagen wir, zwei Stunden dort finden.«
    Coralina sah immer noch aus, als wollte sie widersprechen, doch sie fügte sich; Jupiter hatte die größere Erfahrung im Umgang mit Babio. Nach kurzem Zögern folgte sie ihm, und zusammen gingen sie die Via Maddalena hinauf, ein enges Sträßchen, in dem sich die Touristen drängten.
    »Schau dich nicht nach ihm um«, sagte Jupiter. »Er soll denken, daß wir fest entschlossen sind.«
    »Ich bin nicht fest entschlossen.«
    »Das gehört zum Spiel.«
    »Zum Spiel?« Sie schnaubte leise. »Jupiter, ich verstehe dich nicht! Das war genug Geld, um …«
    »Es war zuwenig«, fiel er ihr ins Wort. »Vertrau mir!«
    »Wie soll ich dir vertrauen, wenn ich dich nicht verstehe?«
    Nachdem sie um eine Ecke gebogen waren, blieb Jupiter stehen.
    »Hör zu«, sagte er. »Ich mag Babio, und zwar vor allem, weil er berechenbar ist. Als ich ihm die Scherbe gezeigt habe, war mir klar, daß er uns ein Angebot machen würde. Davon lebt er, und ganz bestimmt nicht schlecht. Die Höhe dieses Angebots bemißt sich nach dem, was er über die Scherbe herausgefunden hat. Wenn er uns eine so hohe Summe bietet, wie er es gerade getan hat, muß er auf etwas ziemlich Aufsehenerregendes gestoßen sein, meinst du nicht auch? Und das

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