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Das Haus des Daedalus

Titel: Das Haus des Daedalus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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schob, das er um den Oberkörper trug wie den Patronengurt eines mexikanischen Banditen … noch eines der Mysterien Roms, dachte Jupiter. Er hatte nie verstanden, warum die Leute hier nicht nur ihre Fahrzeuge, sondern auch ihre Schlüssel abgaben. Vielleicht hatte er auch einfach nie danach gefragt. Er tat es auch jetzt nicht.
    Babio erwartete sie in einem Straßencafe am Rande der Rotonda. Er wirkte sehr klein hinter seinem dampfenden Cappuccino. Der Kellner hatte ihm mehrere Kissen gebracht, die seinen Sitz erhöhten, doch noch immer wirkte er winzig und verloren in seinem maßgeschneiderten weißen Anzug.
    »Setzt euch«, sagte er nach einer knappen Begrüßung und wies auf zwei leere Stühle. Sein Blick huschte kurz über Coralina hinweg, doch zu Jupiters Erstaunen verzichtete der Zwerg darauf, wie üblich den Charmeur zu spielen. Irgend etwas war passiert; das war die einzige Erklärung für das ungewohnte Verhalten des Kunsthändlers.
    »Wir hätten uns an irgendeinem sichereren Ort treffen können«, sagte Babio. »Aber wenn es etwas gibt, das ich in all den Jahren gelernt habe, dann ist es die Tatsache, daß man sich nirgends besser verstecken kann als in aller Öffentlichkeit.«
    Jupiter und Coralina wechselten einen beunruhigten Blick.
    »Habt ihr die Scherbe dabei?« fragte Babio.
    Jupiter klopfte auf die kleine Wölbung in seiner Manteltasche. Er hatte den Lederbeutel seit seinem ersten Treffen mit Babio nicht herausgenommen. »Was hast du herausgefunden?«
    »Genug, um dir einen exorbitanten Preis bieten zu können.«
    »Klingt gut.«
    »Nein«, widersprach der Zwerg, »nicht wirklich. Ich biete dir diesen Preis, um euer Leben zu retten. Sieh’s als freundschaftliche Geste.«
    Coralina wandte sich an Jupiter. »Wie meint er das?« Sie klang ungeduldig, aber auch ein wenig ängstlich.
    »Ich vermute, das wird er uns erklären«, erwiderte Jupiter, ohne Babio aus den Augen zu lassen.
    Als eine Gruppe schwarzgekleideter Priester an ihrem Tisch vorüberging, zuckte der Zwerg erschrocken zusammen. Er blickte den Männern lange nach, ehe er sich mit Verschwörermiene vorbeugte. Seine kurzen Arme erreichten nur knapp die Cappuccinotasse. Der Milchschaum auf der Oberfläche zitterte, als Babio sie anhob und einen Schluck nahm.
    »Ich möchte euch die Scherbe abkaufen«, sagte er dann, »bevor euch etwas passiert. Sie wird euch umbringen, aber das werdet ihr mir nicht glauben, nicht, bevor es zu spät ist. Du nicht, Jupiter, und wenn ich deine junge Freundin richtig einschätze, sie auch nicht.«
    Jupiter betrachtete ihn mit gelinder Verwunderung. »Du hast schon mal besser geblufft.« Was, genaugenommen, ebenfalls ein Bluff war, wußten sie doch längst, daß die Scherbe und die Kupferplatte gefährlich waren. Aber sie mußten unbedingt noch mehr erfahren, jedes Detail, das Babio herausgefunden hatte.
    »Ihr wollt mich nicht verstehen, oder?« Babios Gesichtsausdruck wirkte gehetzt. »Ich will die Scherbe denjenigen geben, die das größte Interesse daran haben -so groß, daß sie bereit sind, eine ganze Menge Risiken dafür einzugehen.«
    »Was für Leute sind das?«
    Der Kunsthändler schüttelte seinen übergroßen Kopf. »Du weißt, daß ich dir darauf keine Antwort geben kann. Du hast mich schon tief genug in diese Sache hineingeritten.«
    »Komm schon, Babio! Du witterst ein fettes Geschäft, das ist alles. Ansonsten säßen wir nicht hier.«
    In ein paar Metern Entfernung ritten zwei Carabinieri hoch zu Roß an ihnen vorüber. Die Menschen auf der Rotonda wichen rasch zurück, als sie das Klappern der Hufe vernahmen. Nachdem die beiden fort waren, hing noch immer ein leichter Geruch von Pferdestall in der Luft.
    »Verschwinde aus Rom«, sagte Babio zu Jupiter. »Und nimm deine kleine Freundin am besten gleich mit.«
    Aus dem Mund des Zwerges klang die Bezeichnung »kleine Freundin« eher grotesk als verletzend. Coralina wurde sehr kühl. »Ich denke, Sie sollten uns jetzt ein Angebot machen, Signore Babio.«
    Der Zwerg beugte sich mit einem leichten Stöhnen vor, ergriff eine Papierserviette vom Tisch und schrieb mit Kugelschreiber eine Zahl auf den Rand; sie endete mit erstaunlich vielen Nullen.
    Jupiter wollte danach greifen, doch Coralina kam ihm zuvor. Ihr Gesicht hellte sich auf. »Nur für die Scherbe?« fragte sie perplex und handelte sich damit unter dem Tisch einen Tritt von Jupiter ein.
    Babio wurde sogleich hellhörig. »Gibt es denn noch etwas, das Sie mir anbieten könnten?«
    »Nein«,

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