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Das Haus des Daedalus

Titel: Das Haus des Daedalus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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lange nicht mehr über sein eigenes Verhältnis zu Gott nachgedacht. War der Herr noch bei ihm, wachte er noch über jeden seiner Schritte? Warum ließ er zu, daß sie ihn jagten? Weshalb wies er ihm keinen Ausweg aus seiner verzweifelten Lage?
    Sicher, er hätte ins Kloster zurückkehren können. Dorian, der Abt, hätte ihn gewiß wieder aufgenommen. Aber damit hätte er nur Unheil über die Gemeinschaft der Kapuzinerbrüder gebracht. Und würden seine Gegner ihn nicht längst im Kloster erwarten?
    Während Remeo und Lorin weiter die Treppe hinabstiegen, kreisten Santinos Gedanken um Gott. Hatte er die Gleichgültigkeit des Herrn nicht selbst heraufbeschworen? Er und die anderen hatten ein Tor aufgestoßen, das für immer hatte verschlossen bleiben sollen. Sie hatten den Abstieg in Regionen gewagt, in denen nichts zu finden war außer Tod und Verdammnis. Warum sollte Gott sich um einen wie ihn scheren, der er doch gegen Gesetze verstoßen hatte, die so alt waren wie diese Stadt, vielleicht so alt wie die Welt.
    Und dennoch … er durfte seine Brüder nicht verraten, indem er sich jetzt von ihnen und ihrem gemeinsamen Ziel abwandte. Sie hatten ihr Leben für diese Aufgabe gelassen, und Santino würde das ebenfalls tun, wenn es nötig war. Mittlerweile hatte er kaum noch Zweifel an der Unumgänglichkeit seines Schicksals.
    Ich bin bereit, Herr, dachte er.
    Bald bin ich bereit.
    Aber erst … die Videos.
    »Noch immer kein Ende in Sicht«, murmelte Remeo dumpf ins Mikrofon der Kamera. Dann schwieg er wieder. Nur sein Atem war zu hören, schwer und rauh wie der eines Asthmatikers.
    Lorin ging voraus, schweigend, brütend. Zehn Minuten später blieb er plötzlich stehen. Er schaute angestrengt zu Boden, bückte sich und berührte mit den Fingerspitzen etwas, das sich außerhalb des Bildes befand. Als er sich zu Remeo und zur Kamera umdrehte, waren seine Gesichtszüge verkrampft. Sein linkes Augenlid zuckte unkontrolliert.
    »Sieh dir das an«, flüsterte er.
    Remeo trat näher heran. Die Kamera schaute über Lorins Schulter auf das, was sich vor ihm auf der Stufe befand. Auf dem körnigen Monitorbild waren nicht mehr als ein paar dunkle Punkte zu erkennen.
    Santino fürchtete, es seien Blutstropfen.
    »Asche«, wisperte Remeo. »Das ist doch Asche, oder?«
    Lorin nickte. »Aber keine gewöhnliche.« Er schüttelte sich und stand auf. »Das ist verbrannte Haut.«
    »Großer Gott …« Das Bild wackelte, als Remeo sich mit dem Rücken gegen die Steinspindel im Zentrum der Treppe lehnte. »Bist du ganz sicher?«
    »Ich habe genug Verletzte gepflegt, die mit Brandwunden zu uns kamen, um zu wissen, wie verkohlte Haut aussieht.« Der Mönch verrieb ein winziges Stück Asche zwischen Daumen und Zeigefinger.
    »Und das hier ist welche, ohne jeden Zweifel.«
    »Könnte sie auch von … einem Tier stammen?« Remeos Stimme klang noch schwächer, war kaum mehr zu verstehen.
    Lorin hob die Schultern, aber die Bewegung wirkte steif und unnatürlich. »Vielleicht.«
    Das Bild erbebte und wurde wieder starr, als Remeo die Kamera auf den Stufen ablegte.
    Santino konnte die Stimmen der beiden Männer jetzt kaum noch hören. Sie schienen darüber zu diskutieren, ob die verbrannten Hautfetzen von Pascale stammten, als Lorin plötzlich einen spitzen Schrei ausstieß.
    »O nein! Herr im Himmel - nein!«
    Auch Remeo rief etwas, aber die Worte waren nicht zu verstehen.
    Die Kamera lag auf den Stufen und wies starr ins Leere. Einen Moment lang herrschte völlige Stille, und Santino fürchtete schon das Schlimmste, als plötzlich wieder Bewegung in das Bild kam. Die Kamera wurde aufgehoben und strich über Lorin hinweg, der auf den Stufen kauerte, die Hände vors Gesicht geschlagen. Dann wurde das Objektiv auf die Decke über der Treppe gerichtet. Sie war ebenso stufenförmig wie der Boden, ein exaktes, auf den Kopf gestelltes Spiegelbild.
    Fußabdrücke führten daran entlang in die Tiefe.
    Im ersten Augenblick glaubte Santino, er hätte durch das Gewackel der Kamera die Orientierung verloren. Gewiß schaute er auf den Boden der Treppe, nicht auf die Decke. Möglich, daß Remeo die Kamera einfach verkehrt herum hielt und dadurch dieser seltsam verfremdete Blickwinkel entstand.
    Doch dann senkte Remeo die Kamera langsam, und erneut kam Lorin ins Bild, schaute mit leerem Blick auf, scheinbar geradewegs in Santinos Augen. Die Kamera verharrte einige Atemzüge lang auf ihm, dann wurde sie abermals angehoben, eindeutig zur Decke hinauf!
    Die

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