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Das Haus des Daedalus

Titel: Das Haus des Daedalus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ballte sich zur Faust. Ein unmerkliches Raunen ging durch die Reihe der Nonnen. Dann aber nickte die Äbtissin dem Geistlichen unmerklich zu.
    »Sie verlangen Beweise?« Janus seufzte wie ein Mann, der eine Entscheidung von ungeheurer Tragweite zu treffen hat. »Vielleicht haben Sie recht … Vielleicht ist es tatsächlich an der Zeit, Ihnen etwas zu zeigen.«

KAPITEL 9

Das Daedalusportal
    Diana ließ ihnen Nonnentrachten bringen und forderte sie auf, sie überzuziehen. Jupiter und Coralina kamen sich ziemlich lächerlich darin vor. Vor allem Jupiter fand, daß er aussah wie ein schlecht kostümierter Komiker in einem albernen Fernsehsketch. Doch schließlich sah auch er ein, daß die Verkleidung bei Nacht durchaus ihren Zweck erfüllte. Kein Gardist würde es wagen, eine Nonne zu belästigen, und solange sie keinem der Adepten selbst über den Weg liefen, mochte der Trick funktionieren.
    Zu dritt verließen sie das Kloster durch den Hintereingang. Janus führte sie hinaus ins Dunkel, während Diana und ihre sieben Schwestern zurückblieben.
    »Keine Sorge, es ist nicht weit von hier«, erklärte Janus, während sie zügig am Adlerbrunnen vorübergingen. Auch er trug eine Tracht, deren Saum über den Boden schleifte; er hatte die Wahl gehabt zwischen einem Kleid, das seiner Länge, aber nicht seinem Umfang entsprach, oder einem, in das er bequem hineinpaßte, das ihm jedoch viel zu lang war. Er hatte sich für letzteres entschieden und mußte nun achtgeben, daß er nicht stolperte. Sein Gesicht lag, ebenso wie das von Jupiter und Coralina, im Schatten einer Nonnenhaube verborgen.
    Diesmal benutzten sie den gepflasterten Weg. In ihrer Nonnenstaffage hätte es nur unnötiges Aufsehen erregt, hätte man sie querfeldein zwischen Bäumen und Büschen beobachtet.
    Inmitten eines Rondells stand auf einem mächtigen Sockel die Statue des Petrus, mit erhobenem Arm, in der imposanten Pose des Predigers. Sein Gesicht wurde von Scheinwerfern angestrahlt. Mit Janus’ Worten frisch im Gedächtnis, erhielt dieser Anblick für Jupiter eine vollkommen neue Bedeutung. Petrus war nicht länger nur der Erste Apostel, der legendäre Fels, auf dem Christi Kirche errichtet worden war; er war der Wächter dessen, was sich unter dieser Kirche befand. Er war der Hüter der ultimativen Schwelle.
    Um das Denkmal erhoben sich drei Palmen. Die Wedel rauschten geisterhaft im Dunkel, hoch oben, jenseits des Lichtscheins der Punktstrahler. Gleich dahinter, auf der anderen Seite des Rondells, stand ein kleines Gebäude, mit einem einzelnen flachen Turm, hellbraunem Verputz und einer grünen Bogentür. Sie streiften rasch die Nonnengewänder ab und versteckten sie in einem Gebüsch.
    Janus klopfte an eine der vergitterten Scheiben. Unruhig warteten sie auf Antwort. Gleich gegenüber der Tür befand sich eine Laterne, die sie mit hellem Licht übergoß.
    Gerade als sich in einiger Entfernung ein Trupp Gardisten aus dem Dunkel löste und in ihre Richtung marschierte, wurde die Tür von innen geöffnet.
    »Schnell«, flüsterte Janus, ließ Coralina und Jupiter den Vortritt und folgte ihnen rasch hinein. Ein bulliger Mann, breitschultrig wie ein Profiboxer und mit flachem, ausdruckslosem Gesicht, verriegelte hinter ihnen die Tür.
    Sie warteten reglos, bis draußen die Schritte der Svizzeri verklungen waren, dann erst wagten sie sich wieder zu bewegen.
    Janus stellte ihnen den Mann als Aldo Cassinelli vor. Er war der leitende Gärtner des Vatikans. Cassinelli nickte den beiden mürrisch zu und reichte ihnen seine haarige Pranke. Auf den ersten Blick fand Jupiter ihn wenig vertrauenerweckend, auch wenn er zugeben mußte, daß er sich in seiner Gesellschaft sicherer fühlte als im Kreis der fast ein wenig unirdisch wirkenden Nonnen. Cassinelli sah aus, als könne er es mit drei Gardisten gleichzeitig aufnehmen. Eine Fotografie an der Wand zeigte ihn mit einer großbusigen Italienerin in einem geblümten Sommerkleid.
    »Ihre Frau?« fragte Coralina mit einem Blick auf das Bild.
    »Sie ist tot«, erwiderte der Gärtner knapp. »Krebs.«
    »Oh … tut mir leid.«
    »Aldo ist ein guter Freund«, sagte Janus. »Einer der wenigen Verbündeten, die uns noch geblieben sind.«
    Das klang, dachte Jupiter, als hätte es früher noch andere gegeben, und es warf die unangenehme Frage auf, was wohl aus ihnen geworden war. Das vage Gefühl der Sicherheit, das er beim Anblick des Gärtners empfunden hatte, schwand schlagartig.
    »Habt ihr die Platte?« fragte

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