Das Haus des Daedalus
Fingerknöchel knacken. »Dieser Zugang befindet sich vermutlich hier im Vatikan. Sie werden bald erfahren, wie ich zu dieser Vermutung komme.«
»Noch mehr Geheimnisse?« Coralina war anzusehen, daß sie alles andere als überzeugt war von den Ausführungen des Geistlichen.
»Lassen Sie mich erst meinen Bericht beenden, bevor wir gemeinsam den nächsten Schritt tun«, bat Janus. »Die Geschichte der Adepten war, wie Sie bereits wissen, mit Piranesis Austritt nicht beendet. Tatsächlich verquickte sie sich fortan mehr und mehr mit dem Geschick der katholischen Kirche. Wie gesagt, es gab einige Theologen unter ihnen, und sie waren es, die den anderen weismachten, daß es sich bei einem Ort wie jenem, den Piranesi entdeckt hatte, um nichts Geringeres als die Hölle selbst handeln könne.«
»Du liebe Güte«, seufzte Jupiter.
»Es ist leicht, sich heute darüber lustig zu machen, zumindest für Außenstehende«, sagte Janus. »Aber, glauben Sie mir, die Sache war zu aufregend, als daß die Adepten einfach hätten weitermachen können wie bisher. Solange Piranesis Scherbe nicht wieder auftauchte, konnte der Bund nicht aufgelöst werden, das gebot ihr Schwur. Und so kam es, daß es eine neue Generation von Adepten gab, und noch eine, und eine nächste. Man vergaß die alten Regeln oder weitete sie nach eigenem Gutdünken aus. Aus sechs Adepten wurden zehn, und aus zehn schließlich ein Dutzend, denn die fünf verbliebenen Scherben waren längst zusammengefügt worden, um den Code ihrer Inschrift zu knacken, und galten nicht mehr als Symbol oder Ausweis der Mitgliedschaft. Vermutlich ist es ihnen längst gelungen, den Text zu entschlüsseln, mit Ausnahme des fehlenden Bruchstücks und dem darauf enthaltenen wichtigsten Teil der Lagebeschreibung. Die Scherbe, die Sie in Piranesis Kirche entdeckten, ist also das letzte Stück, das ihnen noch fehlt.« Janus deutete auf die Kupferplatte.
»Und natürlich der Schlüssel.«
Jupiter überlegte einen Moment und versuchte die neuen und verwirrenden Informationen zu verdauen. Dann fragte er: »Wie aber kam Cristoforo an den Stich?«
»Cristoforo war, wie Sie wissen, der angesehenste Restaurator des Vatikans. Er hatte Zugang zu den geheimen Archiven unter dem Papageienhof. Wie es aussieht, ist er dort auf einen Druck der siebzehnten Platte gestoßen. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie das Blatt dort hingelangt ist und warum keiner sonst davon wußte. Cristoforo zeigte seinen Fund niemandem, aber er konnte wohl seinen Mund nicht halten. Er sprach mit dem einen oder anderen darüber, und bald gelangte die Nachricht von der sensationellen Entdeckung auch an die Ohren der Adepten. Sie ahnten wohl aufgrund früherer Nachforschungen im Umfeld Piranesis, welches Geheimnis die siebzehnte Platte barg … vermutlich hatte eines seiner Kinder die Platte einmal gesehen und wiederum seinen Nachkommen davon erzählt und so weiter, und so weiter …
Man verlangte von Cristoforo, das Blatt herauszugeben. Er aber weigerte sich und zerstörte den Druck, bevor ihn jemand untersuchen konnte. Er behauptete, es habe keinen Schlüssel auf dem Bild gegeben, ganz gleich, was sie mit ihm anstellten. Ich vermute, daß sie es mit Gewalt versuchten und er darüber endgültig den Verstand verlor. Sie wagten nicht, ihn umzubringen, weil sie wohl hofften, ihm das Geheimnis doch noch eines Tages entlocken zu können. Statt dessen warfen sie ihn aus dem Vatikan.
Cristoforo war verrückt, gewiß, aber er wußte sehr wohl, wie er es seinen Peinigern heimzahlen konnte … fortan pflasterte er Rom mit Kopien des siebzehnten Stichs, allerdings ohne den Schlüssel, versteht sich. Er muß Landini und die anderen damit bis aufs Blut gereizt haben. Sicher war es ihnen eine besondere Freude, ihn zu töten, als sich herausstellte, daß die siebzehnte Platte wieder aufgetaucht war. Endlich brauchten sie Cristoforo nicht mehr und konnten ihn beseitigen.«
»Wie aber ist der Druck überhaupt ins Vatikanische Archiv gelangt?« wunderte sich Jupiter.
»Wenn Sie mich fragen, hat Piranesi selbst ihn dort eingeschmuggelt. Er war immer ein selbstverliebter Mensch, darin sind sich alle seine Zeitgenossen einig, und er hat sich offenbar einen Spaß daraus gemacht, die Adepten zu ködern. Er hat ein Stück Wurst vor ihrer Nase baumeln lassen und zugeschaut, wie sie im Kreis rannten. Offenbar hat er damit gerechnet, daß der Druck viel früher auftauchen würde, noch zu seinen Lebzeiten. Daß bis zu seiner Entdeckung mehr
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