Das Haus des Daedalus
Cassinelli.
»Ja.«
»Wo ist sie?«
»Dort, wo Estacado sie nicht finden wird«, gab Janus vage zurück.
Der Gärtner führte sie eine Treppe hinunter in den Keller des Hauses. Sie mußten die Köpfe einziehen, um nicht an die niedrigen Gewölbedecken zu stoßen. Es gab wenig Licht hier unten, nur eine nackte Glühbirne, die den dichten Schatten in den Ecken nicht gewachsen war.
Im hinteren Raum des Kellers zerrte Cassinelli eine Holzplatte vom Boden und gab damit den Blick auf eine dunkle Öffnung frei. Nach all den Geheimtüren der letzten Stunden war Jupiter beinahe ein wenig enttäuscht, wie simpel sich die uralten Geheimnisse des Vatikans tarnten.
Der Gärtner verschwand im vorderen Teil des Kellers und kehrte bald darauf mit einer Taschenlampe und einer Holzleiter zurück, die er im Dunkel der Öffnung verschwinden ließ. Nur ihr oberes Ende ragte noch eine Handbreit weit heraus.
»Der Schacht kreuzt ein altes Entlüftungssystem«, erklärte Janus, nahm die Taschenlampe und begann als erster den Abstieg.
»Entlüftung für was?« fragte Coralina.
»Sie werden schon sehen.«
Einen Augenblick lang glaubte Jupiter, Coralina würde wütend mit dem Fuß aufstampfen und sich weigern, einen Schritt weiterzugehen, bevor Janus nicht deutlicher wurde. Dann aber biß sie sich nur auf ihre Unterlippe, murmelte etwas Unverständliches und folgte dem Geistlichen in die Tiefe. Als letzter stieg Jupiter die Leiter hinunter. Cassinelli blieb im Keller zurück, und wenig später schob er über ihnen die Holzplatte an ihren alten Platz.
Der Schacht war feucht und grob gemauert. Wie Insektenbeine ragte Wurzelwerk aus den Fugen und verästelte sich weiter unten zu einem dichten Netz. Nach zweieinhalb Metern endete ihr Abstieg auf einer weiteren Holzplatte, deutlich morscher als die erste und mit schillernden Pilzkissen bewachsen. Janus bat Jupiter, ihm zu helfen, sie zur Seite zu ziehen. Darunter kam … wie erwartet … abermals nichts als Finsternis zum Vorschein.
Janus leuchtete hinein. Die Öffnung hatte unregelmäßige Ränder; es sah aus, als sei sie mit einem Hammer durch eine Ziegeldecke geschlagen worden. Darunter verlief ein horizontaler Schacht, der Jupiter vage an das Innere einer antiken römischen Wasserleitung erinnerte.
»Es ist ein wenig eng da unten«, warnte sie Janus. »Wir werden eine ganze Weile gebückt laufen müssen, vor allem Sie, Jupiter. Ich hoffe, Sie haben eine gute Kondition.«
»Wie ein Marathonläufer«, erwiderte Jupiter mürrisch. »Mit Lungenkrebs im Endstadium.«
Coralina lächelte ihn an, zögerte kurz, dann gab sie ihm einen Kuß.
Janus sprang in das Loch hinab, und als er unten angekommen und sein Kopf noch immer deutlich unter der Öffnung zu sehen war, erkannte Jupiter, wie niedrig der Schacht tatsächlich war. Sein Rücken schmerzte bereits bei der Vorstellung, und als er schließlich neben Coralina und dem Geistlichen stand, ächzend und vornübergebeugt, schwante ihm allmählich, was ihnen bevorstand.
Janus ging voran. Coralina ergriff Jupiters Hand, mußte sie aber bald wieder loslassen, als sich herausstellte, daß es die Fortbewegung nur noch schwieriger machte.
Sie folgten dem Schacht etwa hundert Meter, ehe sie an eine weitere Öffnung im Boden gelangten. Durch sie kletterten sie eine Ebene tiefer, wieder in einen Gewölbegang. Eine Ratte huschte vor Jupiters Füßen durch die Schatten, das einzige Lebewesen, das ihnen hier unten begegnete.
Noch mehrfach wechselten sie die Ebenen, kletterten ein weiteres Mal einen Schacht hinab und kamen schließlich in einen engen Tunnel, an dessen Ende ein schummriger Lichtschein zu erkennen war.
»Wir sind gleich am Ziel«, flüsterte Janus. »Von jetzt an keinen Laut mehr!«
Coralina verriet durch das kurze Zucken einer Augenbraue ihr Mißfallen, widersprach aber nicht. Auch Jupiter schwieg, während sie sich der Quelle des Lichts näherten. Die gebückte Haltung forderte ihren Tribut. Sein Rücken tat weh, und der Schmerz hatte sich schon vor bis in seinen Brustkorb ausgeweitet; bei jedem Atemzug spürte er ein scharfes Stechen in den Lungen.
Sie kamen an ein schweres Gitter. Die Streben hatten den Umfang von Coralinas Unterarmen und bereits Rost angesetzt. Die Zwischenräume waren groß genug, um mühelos hindurchschauen zu können.
Vor ihnen lag eine unterirdische Halle, sehr hoch, aber mit einer vergleichsweise kleinen Grundfläche, nicht größer als zehn mal zehn Meter. Das Gitter befand sich gleich unter der Decke
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