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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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John mit dem Handschuh zu schlagen, und dann -
Athelstan kannte Cranston - wäre es zu einem Duell à
outrance gekommen - bis zum Tode. Mistress Philippa lächelte
und trat ins Licht, und Athelstan begriff, wie rüpelhaft
Cranston sich aufgeführt hatte.
    Das Mädchen war
kreidebleich, ihre Augen rotgerändert und von tiefen Schatten
umgeben. Aber sie spürte, daß Cranston sie nicht
absichtlich beleidigt hatte; sie beugte sich vor und
küßte ihn zart auf die Wange. Dies
vergrößerte nur die Bestürzung des Coroners; er
schlug die Augen nieder und scharrte mit den Füßen wie
ein unbeholfener Schuljunge. Philippa ging zu einem Tablett mit
Bechern, füllte zwei und brachte sie herüber. Einen gab
sie Athelstan, den anderen drückte sie Sir John in die
große Pranke. Der Coroner betrachtete lächelnd den Wein,
hob den Becher und stürzte ihn in einem Zug herunter.
Schmatzend zwinkerte er dem Mädchen zu und hielt ihr den
Becher hin, damit sie nachschenken könnte. Philippa gehorchte
lächelnd, und Athelstan stöhnte. Er wußte nicht,
was schlimmer war - Cranston, wenn er schmollte, oder Cranston,
wenn er betrunken war.   
    Sir John nahm den
Becher, ging zum Fenster und schaute hinaus auf den Schnee, der in
der Sonne glitzerte. Die anderen rührten sich kaum, als seien
sie ganz fasziniert von dem, was der Coroner sagte und tat. Sie
beobachteten ihn so aufmerksam, wie Schüler ihren
gefürchteten Lehrer im Auge behalten. Cranston betrachtete den
Schimmer der Sonnenstrahlen auf der großen Sturmglocke und
drehte sich dann unvermittelt um. »Mowbray«,
verkündete er, »ist ermordet worden. Zumindest glaube
ich das. Er hat die gleiche Botschaft erhalten wie Sir Ralph. Ich
glaube, er ist auf die Mauer hinaufgestiegen, und die Sturmglocke
ist geläutet worden, damit er rannte. Ich habe den Wehrgang
äußerst gründlich
untersucht…«
    Athelstan mußte
daran denken, wie Cranston kraftlos an der Brustwehr gelehnt hatte,
und verbarg sein Lächeln.
    »Ich habe den
Wehrgang äußerst gründlich untersucht«,
wiederholte Cranston und funkelte Athelstan wütend an.
»Mowbray ist nicht aus Versehen ausgerutscht. Dort oben liegt
eine zolldicke Schicht aus Sand und Kies. Nein - jemand hat den
Absturz geplant.«
    »Hat Mowbray
getrunken?« fragte Athelstan.
    Cranston sah den
anderen Hospitaliter an. Sir Brian schüttelte den
Kopf.
    »Er war ein
erfahrener Soldat«, sagte der Ritter. »Er hätte
auf einem solchen Wehrgang blind durch einen Schneesturm laufen
können.«
    »Was ist
eigentlich gestern abend geschehen?« fragte Cranston.
»Ich meine, bevor Mowbray abstürzte?«
    Sir Fulke ergriff das
Wort. Er lächelte. »Mistress Philippa hatte uns zum
Abendessen eingeladen. Wir waren alle hier.«
    »Ich
nicht!« fauchte Fitzormonde. »Ich war in meiner Kammer
und habe darauf gewartet, daß der arme Mowbray
zurückkam.«
    »Und Rastani
natürlich auch nicht«, stotterte der Kaplan und wand
sich auf seinem Schemel.
    »Ja«,
knurrte Fitzormonde. »Der Morisco war auch nicht hier.«
Athelstan stand auf und hockte sich vor Rastani auf den Boden. Er
schaute ihm in das stumme, angstvolle Gesicht.
    »Mylady
Philippa«, bat er über die Schulter, »ich
möchte mit Rastani sprechen. Allerdings vermute ich, daß
er weiß, was ich ihn fragen werde.«
    »Ich weiß
es auch!« schrie Sir Fulke. »Ich werde für ihn
antworten.«
    »Nein, Sir, das
werdet Ihr nicht!« herrschte Cranston ihn an. Athelstan
berührte Rastanis Hand. Sie war kalt wie Eis. Der Ordensbruder
schaute in ein Paar feuchte schwarze Augen. Der Mann hatte
große Angst, aber wovor? Vor der Entdeckung? Vor der
Enttarnung?        
    »Wo warst du,
Rastani?« fragte er.
    Neben ihm machte
Philippa seltsame Gebärden mit den Fingern, und Rastani
antwortete in derselben Zeichensprache.
    »Er sagt, er hat
schrecklich gefroren«, übersetzte Philippa. »Er
ist im alten Gemach meines Vaten im White Tower
geblieben.«
    »Er ist
leichtfüßig wie eine Katze«, bemerkte Cranston.
»Er könnte in der Festung
umherschleichen, ohne daß irgend jemand ihn bemerken
würde.«
    »Was wollt Ihr
damit andeuten, Sir John?« fragte Philippa. »Rastani
könnte die Glocke geläutet haben.«
    »Wie, um alles
in der Welt, hätte er das tun können, ohne
Fußabdrücke zu hinterlassen?« höhnte Geoffrey
und trat neben Philippa.
    Cranston
lächelte. »Mit einem Schneeball.«
    Colebrooke schnaubte.
»Ich habe Euch doch schon gesagt, Sir John, daß der
Platz rings um die Glocke von Wachen einzusehen war.

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