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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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dachte Athelstan:
Jeder von ihnen konnte Sir Ralphs Mörder sein. Burghgesh war
sehr beliebt gewesen. Hielt einer der Anwesenden sich für
Gottes Henker, der den Tod des guten Mannes zu rächen hatte?
Athelstan schaute in die Runde.
    »Master
Parchmeiner wird heute nicht kommen?« fragte er, die
plötzliche Stille nutzend.
    »Nein«,
antwortete Sir Fulke müde. »Um Himmels willen, Pater,
wer würde sich gern hier aufhalten? So viele Erinnerungen, so
viel Haß.«
    Mistress Philippa
saß zusammengesunken auf einer Bank und hatte die Hände
vors Gesicht geschlagen. Sir Fulke ging zu ihr und tätschelte
ihr leicht die Schulter. Cranston sah, daß Rastani
spöttisch die Mundwinkel verzog. War er der Mörder? Der
Coroner dachte an Athelstans Worte: Adam Hornes Mörder hatte
eine Methode benutzt, mit der man in den maurischen Ländern
den Leichnam eines Verbrechers und Verräters
schändete.
    »Wir haben genug
gesehen«, flüsterte Athelstan. »Wir sollten jetzt
gehen.«
    »Eines
noch«, sagte Cranston. »Ihr kennt den Kaufmann Adam
Horne?«
    »Noch so ein
Schweinehund«, zischte Sir Fulke. »Ja, ja, Sir John,
Horne war ein Freund meines Bruders.«
    »Nun, er ist
tot«, verkündete Cranston ohne Umschweife.
»Gestern nacht in den Ruinen nördlich von hier
ermordet.« Fitzormonde fluchte leise. Die anderen blickten
erschrocken auf.
    »Ich
wüßte zu gern, wo jeder einzelne von Euch gewesen
ist«, sagte Cranston.
    »Bei den
Zähnen der Hölle, Sir John!« fauchte Colebrooke.
»Jetzt, wo es getaut hat, kann jeder unauffällig kommen
und gehen.«
    Cranston lächelte
matt. Der Lieutenant hatte recht: Es wäre praktisch sinnlos,
von allen Rechenschaft über ihre Aktivitäten zu fordern.
Horne konnte zu jeder beliebigen Zeit zwischen Abenddämmerung
und Morgengrauen ermordet worden sein. »Kommt, Sir
John«, sagte Athelstan.
    Cranston winkte
Colebrooke heran, und sie verabschiedeten sich. Sie sprachen kaum
ein Wort, bis sie ihre Pferde abgeholt, den Tower verlassen und die
Richtung nach Eastcheap eingeschlagen hatten.
    »O Herr, errette
uns!« Cranston brach unvermittelt das Schweigen.
»Wieviel Haß doch des Menschen Herz erfüllt, wie,
Bruder?«
    »Aye«,
antwortete Athelstan und lenkte Philomel behutsam von der
verschneiten Kloake weg, die in der Mitte der Straße
entlangführte. »Vielleicht sollten wir alle das
bedenken, Sir John. Kleine Eifersüchteleien und
Mißverständnisse können aus den Funken eines Zanks
ein tosendes Feuer des Hasses entfachen.«
    Cranston warf
Athelstan einen Blick zu und lächelte über diese
stachelige Ermahnung: Was für Fulke und die anderen im Tower
galt, galt natürlich auch für seine Beziehung zu Lady
Maude. »Wohin jetzt, Bruder?« fragte er.
    »Zu Master
Parchmeiners Laden gegenüber dem Chancellor’s Inn bei
St. Paul.«
    »Warum?«
fragte Cranston.
    »Weil er nicht
bei den anderen im Tower war, Sir John, und weil wir jeden befragen
müssen.«
    Sie ritten die
Candlewick Street zur Trinity hinauf, in einem wohlhabenden
Stadtteil, den Athelstan nur selten besuchte. Die Häuser waren
geräumig und beeindruckend; die unteren Stockwerke waren aus
massivem Holz gebaut, die überhängenden Giebel
darüber ein Fachwerk aus schwarzen Balken und weißem
Putz. Die Dächer waren mit Ziegeln gedeckt, anders als viele
der Häuser in Athelstans Pfarrgemeinde, die sich mit Ried oder
Stroh begnügen mußten. Viele der Fenster waren aus
reinem Glas und mit Holzläden und Eisengittem gesichert. In
diesen Häusern spülten Dienstboten regelmäßig
die Kloake mit dem Wasser, das sie zum Waschen der Kleider
benutzten; deshalb stank es hier nicht so wie in Southwark. Vor
etlichen der imposanten Hauseingänge standen bewaffnete
Gefolgsleute mit den bunten Wappen ihrer Herren, auf denen
Bären, Schwäne, geflügelte Drachen, Löwen und
noch seltsamere Tiere dargestellt waren. Untersetzte,
wohlgenährte Kaufleute spazierten Arm in Arm mit ihren
rundlichen Ehefrauen, die in Seide und Satin gehüllt und mit
winzigen Perlen von exquisiter Zartheit geschmückt waren. Zwei
Domherren aus der Kathedrale in dicken wollenen, mit Hermelin
verbrämten Roben stolzierten vorbei. Eine Gruppe von
Rechtsanwälten in roten und violetten,
lammwollgefütterten Gewändern schlenderten arrogant
vorüber; sie hatten ihre Mäntel zurückgeschlagen und
stellten prachtvolle, tiefhängende Gürtel zur
Schau.   
    Schweine mit Glocken
um den Hals streiften umher; sie gehörten dem Hospital von St.
Anthony und durften nicht geschlachtet

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