Das Haus des Windes
weil er einmal als Koch gearbeitet hatte; zu jedem Essen gab es Wein oder Bier, danach dann Drinks und Musik. Lärm. Ich hatte gar nicht gewusst, wie sehr der Lärm mir fehlte.
Wir stiegen in Whiteys Silverado, und er drückte sofort denKnopf auf dem Kassettenrecorder. Die Rolling Stones brodelten aus den Subwoofern, und wir fuhren mit offenen Fenstern, im rauschenden Fahrtwind, bis zu dem Abzweig auf die unbefestigte Straße. Dann ließen wir für den Rest des Weges wegen des Staubs die Fenster zu. Wir saßen in einer Hülle aus Lärm, drei Leute, die die Lüftung und die wummernden Bässe übertönten. Mit Whitey war alles lustig – jedenfalls, das wusste ich schon, die ersten vier Stunden lang, für die ersten sechs Bier oder drei Kurzen –, aber diesmal lachten wir vor allem über die Geschäfte und Ereignisse des Tages. Cappys Tanten waren so sparsam, dass sie immer nur für einen Dollar Benzin einkauften. So viel brauchten sie allein, um zur Tanke und wieder zurück zu kommen. Sie ließen sich nie den kostenlosen Kaffee entgehen. Eine junge Studentin war in der Gegend, um Grandma Thunder zu erforschen. Jeden Tag holte sie sie mit dem Auto ab – Grandma erledigte dann erst mal ihre Einkäufe und besuchte Freunde und Familie. Manchmal ließ sie das Mädchen anschließend den Notizblock zücken und eine ihrer Weisheiten zu Papier bringen. Sie amüsierte sich königlich.
Ich fragte Whitey nach Curtis Yeltow, und er sagte: Du wirst nicht glauben, womit der Alte schon durchgekommen ist. Hat im Suff einen Güterzug gerammt und überlebt. Hat die Indianer Prärienigger genannt und fand das noch lustig. Hatte eine Flamme in Dead Eye. Hat Gold eingekauft und im Keller seiner Dienstvilla gehortet. Und Waffen? Der Mann ist kein Kenner, sondern ein Freak. Indianische Schilde sammelt er. Glasperlenkunst. Schwärmt von den edlen Wilden und will an einer heiligen Stätte der Lakota Atommüll verklappen. Den Sonnentanz hält er für ein satanistisches Ritual. Das ist Yeltow. Ach, und knackbraun ist er. Legt ziemlichen Wert auf sein Aussehen.
Am Haus angekommen, ging Whitey rein, um Essen zu machen. Sonja und ich kümmerten uns um die Pferde. Während wir den Stall ausmisteten, dröhnte Musik aus den offenen Fenstern des Hauses, und das Gebrabbel des Fernsehers war auch zuhören. Also war da Lärm, als wir den Pferden Heu und etwas Getreide gaben, und der Rasenmäher machte Lärm, und die Hunde lärmten natürlich, wenn sie uns begeistert begrüßten oder uns mit ihrem Gebell daran erinnerten, ihre Futternäpfe zu füllen.
Sonja stellte abends die Pferde in den Stall, suchte die Hunde nach Zecken ab und untersuchte kritisch ihre Lefzen, Augen und Pfoten.
Was hast du wieder getrieben?, fragte sie jeden Hund einzeln. Manchmal schimpfte sie. Schon wieder so viele Kletten. Du stinkst, als hättest du Scheiße gefressen. Von wem hast du deinen hübschen Schwanz so zurichten lassen, Chain? Du kriegst die Peitsche, wenn du stromerst, und das weißt du.
So sprach Sonja auch mit den Pferden, wenn sie sie in ihre Boxen stellte, und dann kam Whitey und brachte ihr ein kaltes Bier. Nicht weit vom Haus gab es eine Stelle, wo die Weide nach Westen hin abfiel und das Gras bei Sonnenuntergang golden leuchtete. Da standen zwei Liegestühle, und sie stellten einen für mich dazu. Ich trank Orangenlimo, und die beiden noch ein, zwei Bier, und die Musik dazu kam jetzt aus dem Ghettoblaster, den Whitey auf die Außentreppe gestellt hatte. Irgendwann sirrten die Mücken in Kampfformation auf uns los, und wir gingen rein.
Whitey hatte an dem Tag Benzin gegen Zander eingetauscht, die Fische waren schon ausgenommen. Die Filets lagen im Kühlschrank in einer Pieform voller Milch. Er hatte einen schaumigen Bierteig angerührt. Es gab Coleslaw mit Meerrettich. Nachtisch aßen sie jeden Tag. Sonja bestand darauf, erklärte Whitey.
Sie ist eine Naschkatze. Kennst du Himbeer-Fool? Das habe ich mal nach Rezept für sie gekocht. Oder Mayonnaise-Kuchen? Die Mayonnaise schmeckt man gar nicht. Aber Schokolade liebt sie. Sie ist ganz wild darauf. Wenn ich meinen Schwanz in Schokolade tauchen würde, hätte ich keine ruhige Minute mehr.
Er wurde natürlich immer hemmungsloser im Laufe desAbends und sagte alles Mögliche, und irgendwann steckte Sonja ihn ins Bett.
Als er gut zugedeckt war, kam Sonja zurück und richtete für mich das Sofa her. Es war alt und roch nach Rauch. Der Bezug war aus kratzigem braunem Stoff mit ein paar zerschlissenen
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